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Montag, 10. April 2006

Das letzte Stündlein

Schon immer war Emma klar, dass sie sich irgendwann in dieser Situation wieder finden wird. Sie las so oft darüber, hörte davon in den Nachrichten oder verfolgte solche Fälle besorgt im Fernsehen.
Man gibt sich ja dem Irrglauben hin, dass so etwas immer nur den Anderen passiert. So lange ist alles weit weg und plötzlich wenn es in der näheren Umgebung geschieht, weiß man, es könnte einen auch selbst treffen. So regiert eben Habgier und Rache die Welt und letztendlich versteht man erst, was das bedeutet, wenn einem selbst der Boden unter den Füßen zu entschwinden droht.
Oft hat Emma darüber nachgedacht, wie sie dann wohl reagieren würde. Da sie noch nie zur Hasenfußfraktion gehörte, war sie immer davon überzeugt, sehr ruhig zu bleiben und bedacht zu handeln. Ja, in ihrer Phantasie hatte sie solche Situationen fast heldenhaft gemeistert und den Täter sogar überwältigen können. Zumindest war sich Emma sicher, dass sie durchaus Amazonenqualität besaß, wenn es um nervliche Stärke ging.
An einem Mittwochvormittag, der eigentlich keine besonderen Anzeichen aufwies, es könne etwas derartig unvorhergesehenes geschehen, musste Emma erkennen, dass zwischen Theorie und Praxis ein so großer Unterschied liegt, wie zwischen einem Heringsbrötchen und einer Sechskantschraube.
Sie hatte ihre Kassenschicht gerade begonnen und es war, wie meist am Mittwoch, noch nicht viel Betrieb. Die Kunden kamen Tröpfchen weise zum Zahlen und Emma nutzte die Zeit dazwischen, um Belege zu sortieren. Sie genoss die Ruhe und die Möglichkeit, einen Teil des Tages sitzend zu verbringen. Vertieft in das Abheften der sortierten Belege, drehte sie sich genüsslich auf dem Stuhl zurück in Kassierposition, weil sie das Herannahen eines Kunden hörte.
Noch bevor sie auf blickte begann sie den Satz, der eigentlich eine freundliche Begrüßung werden sollte. Den Kopf noch nicht ganz gehoben, erstarrten ihre Worte und Emma befand sich von einer Sekunde zur anderen, in großer Gefahr.
Vor Angst konnte sie ihre Beine nicht mehr spüren und war auch nicht in der Lage ihre Arme zu bewegen. Ihr schoss das Blut in den Kopf und fast schmerzhaft pochte es in ihrem Hals. Sie schmeckte Angst am Gaumen, die sie wie ein Blitz durchfuhr und ihr deutlich machte, wie sehr sie in Not ist. Kein Wort kam ihr über die Lippen und alles um sie herum erkannte Emma nur noch schemenhaft.
Ihr Gehirn versuchte verzweifelt die Situation zu begreifen, zu analysieren was im Moment geschieht, doch es war ihr unmöglich einen klaren Gedanken zu fassen.
Es war eine Frau, die dicht vor ihr stand und sie zwang in diesen hohlen Lauf zu blicken. Emmas Blick verharrte auf dem festen Griff dieser Hand, so dicht vor ihrem Gesicht. Sie sah jede der Adern, die prall hervortraten. Die Frau hatte die Waffe so fest umschlossen, dass die Nagelbette blutleer schienen. Emma konzentrierte sich jetzt nur noch auf den Zeigefinger der stramm am Abzug lag.
Wie lange dieser Moment dauerte kann Emma bis heute nicht sagen, aber für sie war es eine Ewigkeit bis der erste einigermaßen klare Gedanke kam:
„Die Kasse. Ich muss die Kasse öffnen, schnell. Einen Schlüssel ich brauche den Schlüssel.“
Emma hob die Hand, die die ganze Zeit über starr auf ihrem Oberschenkel lag, Richtung Kassenlade. Sie hielt den Kopf unverändert und bewegte sich auch sonst nicht. Ihre Finger tasteten vorsichtig am Schloss der Schublade, als sie sah, wie sich die Hand der fremden Frau leicht bewegte. Der Zeigefinger zuckte kurz und bewegte sich am Abzug.
Plötzlich rührte sich die Frau, die bis jetzt wortlos da stand und Emma schaute ihr nun zum ersten Mal ins Gesicht.
Nun bebte die Frau förmlich und fing an mit dem ausgestreckten Arm wild zu fuchteln. Sie sog mehrmals tief Luft ein und rang sichtbar nach den passenden Worten. Sie schien plötzlich unsicher zu werden, was Emma aus ihrer Starre befreite.
Die Täterin schaute auf ihre ausgestreckte Hand und deutete Emma immer wieder mit dem Kopf an, sie solle da hin sehen. Dann presste sie förmlich ihre Drohung raus:
„Hier, sehen sie das? Schauen sie genau hin.“
Die Frau geriet mehr und mehr in Rage und Emma nickte folgsam, während sie den Blick nicht von dieser Hand nahm. Der Finger am Abzug bewegte sich immer mehr und drohte wirklich abzudrücken.
„Hier, schauen sie, schauen sie ganz genau hin.“
Noch bestätigender nickte Emma und sah wie der Zeigerfinger den Abzug langsam entlang glitt.
„Bitte!“: brachte sie jetzt hervor
„Bitte, so nehmen sie doch das Ding da weg.“ Flehte Emma, und reflexartig bewegte sich ihr Arm nach oben, der die bewaffnete Hand etwas zur Seite schob.
Nun reagierte die Frau heftiger und sprudelte wie ein Wasserfall:
„Da passiert nichts. Gar nichts passiert hier. Sehen sie…..“
Die aufgebrachte Frau bebte und zitterte und drückte plötzlich ab.
Einmal, zweimal, dann immer wieder schnell hintereinander.
Emma schloss die Augen und hielt die Hände schützend vors Gesicht.
Doch es geschah nichts. Kein Laut, kein Schmerz, es geschah einfach nichts. Vorsichtig öffnete Emma die Augen und blickte wieder direkt in den blanken Lauf einer Dose Sprühsahne, die nicht einmal ein schüchternes „pffpff“ machte.

„Die habe ich gestern hier gekauft, weil ich Sahne wollte, für den Kuchen. Wissen sie wie peinlich das ist, wenn da der Besuch sitzt und man bekommt aus diesem Scheißding nichts, aber auch gar nichts raus?“

„Ja,“ stammelte Emma
„Ja das glaub ich ihnen, das muss schrecklich sein, aber bitte nehmen sie das Ding jetzt endlich runter bevor sie noch jemand damit verletzen….ähhhh ich meine benetzen, a also ich meine natürlich, falls das Teil eben doch noch, und überhaupt.“

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Jemand (Gast) - 22. Apr, 23:49
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habe ich mir die Geschichten durchgelesen, nur um festzustellen,...
tweety-one (Gast) - 19. Feb, 23:53
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Das letzte Mal haben wir von Tante Emma am 28.12.2008...
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