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Montag, 24. April 2006

Von Körbchengrößen und alten Schachteln

Zeige mir was du einkaufst und ich sage dir was du isst.
Dies wäre mit Sicherheit keine große Kunst und scheidet als unterhaltsames Orakel logischer Weise völlig aus.
Zeige mir wie du einkaufst und ich sage dir wer du bist – ist dagegen eine nähere Beobachtung durchaus wert.
Wenn die Frau von Welt tatsächlich die Besorgungen selbst machen muss, weil die Perle des Hauses gerade auf Malloze residiert, wird sie sich selbstsicher den Einkaufswagen aus der Reihe lösen, der ihrer Meinung nach am besten aussieht.
Meist war die Dame vorher schon genüsslich shoppen und deponiert erstmal sorgsam ihre Schätze im Wagen. Die edelste aller Tüten ist meist aus Papier und mit schlichtem Design aber großen Buchstaben versehen. Ihre Abmessungen sind außer der Norm, schließlich will man sich von der Masse abheben und eine edle Kordel dient als schmucker Tragegriff.
Einfach eine ideale Möglichkeit, sein Supermarktgefährt als A-Klasse zu kennzeichnen.
Sollten sie sich also jemals gefragt haben, wozu der große Plastikhaken am vorderen Ende des Gitterwagens ist, haben sie jetzt die Antwort:
Hier, und nur hier wird die edelste aller Tüten platziert. Natürlich ist dabei darauf zu achten, dass die Aufschrift, weder verdeckt noch durch einen Knick verunstaltet, gut leserlich ist.
Das der Inhalt lediglich aus leer genuckelten Milchflaschen besteht, spielt hierbei keine Rolle und kann, wenn nötig, durch das Abdecken mit einer blütenweißen Stofftasche, vorteilhaft kaschiert werden.
Achtet man während des ganzen Einkaufes darauf, dass der Wagen immer gut platziert steht, sind einem die bewundernden Blicke des Pöbels sicher.
Anders ist das natürlich bei den Herren:
Um sich als attraktiver, paarungswilliger Zeitgenosse zu präsentieren, verzichten Männer grundsätzlich darauf einen Einkaufswagen zu nehmen. Das gekonnte Schieben eines solchen Gefährtes könnte ungewollt darauf hinweisen, dass es sich hier um einen Mann handelt, der diese Routine beim Fortbewegen eines Kinderwagens, erwarb.
Das Benutzen eines Einkaufskorbes scheidet in den meisten Fällen von vorne herein aus, um nicht in den Verdacht zu geraten, er hätte eine homosexuelle Neigung.
Die Ausnahme sind Männer, deren Mütter darauf geachtet haben, dass der Junge ein Geschick entwickelt, um mehrere Teile sicher an die Kasse zu bringen. Diese Spezies wird jedoch stets darauf achten, den Bügel des Körbchens niemals in der Armbeuge einzuhängen. Im Kampf zwischen Muttis Worte und des maskulinen Instinktes, wird er den Korb immer am äußeren Rand halten, als handle es sich um einen Kasten Bier.
Zudem wird er es vermeiden das lächerliche Körbchen länger zu tragen als nötig. Er deponiert es geschickt im jeweiligen Sonderangebots-Aufbau, am Anfang eines Ganges, um es dort nach und nach zu füllen und an einer anderen zentralen Stelle zu platzieren.
Die wirklich harten Typen allerdings, nutzen die Tatsache, dass sie über klodeckelgroße Hände verfügen und demonstrieren beeindruckend, wie man mehrere Kilo Lebensmittel auf dem Handteller balanciert. Das ungeschickte Ablegen an der Kasse wird mit lautem Husten und Hosenhochziehen, geschickt vertuscht.
Am beliebtesten ist jedoch die Paketdienstnummer bei Männern.
Gleich am ersten Regal wird mit einer lässigen Handbewegung uninteressante Ware aus einem Karton geschleudert. Sehr begehrt sind Holzkisten aus der Gemüseabteilung, da somit das Material auf die handwerklichen Fähigkeiten nach dem Einkauf, unaufdringlich unterstrichen werden. Sicherlich hat sich schon manche Frau dabei ertappt, wie sie beim Anblick eines solchen Mannes, an die von Schweiß glänzenden Muskelpakete beim Bau eines Vogelhauses, dachte.
Grundsätzlich gilt, dass die Größe des Kartons bzw. der Holzkiste, um ein Vielfaches größer sein muss, als das tatsächliche Warenvolumen.
Männer, die sich nur die abgeschnittenen Pappen von Getränkepaletten nehmen, sind meist Langzeitstudenten, die mindestens einen Workshop im Jonglieren besucht haben.
Herren die Stoffbeutel benutzen, sind Emma bis heute ein Rätsel. Meist versteckt sich der gebügelte, nach Weichspüler duftende Helfer, sorgsam zusammengefaltet in der Jackentasche und erblickt das Licht der Welt erst an der Kasse.
Ob es sich hier um Gerichtsvollzieher oder Finanzbeamte handelt, die ihre Identität bis zum Schluss verschleiern, entzieht sich Emmas Kenntnis noch. Allerdings steht die Tatsache, dass diese Herren meist einen Seitenscheitel tragen, in engem Zusammenhang mit ihrer Transportwahl. Auch der Hinweis, dass die Geldbörsen dieser Männer, grundsätzlich schwarz sind und das Maß einer Scheckkarte kaum überschreiten, lässt vermuten, dass es sich hier um eine ganz eigene Zunft handeln muss.
Doch bis zu ihrer Rente wird Emma wohl auch dieses Geheimnis gelüftet haben.

Allergische Reaktionen

„Emma so geht das nicht.“
„Aber Herr Brettschneider, sie hätten die Dinger mal sehen und vor allem mal riechen sollen.“
„Jetzt haben sie sich nicht mal so Emma. Es geht nicht darum ob ein Umtausch gerechtfertigt ist oder nicht, die Kundin hat ihre Gründe und ist über ihr Verhalten empört. Also werden sie die Ware umtauschen.“
„Ich weiß nicht worüber die Frau sich aufregt, ich hab ihr lediglich gesagt, dass es eine Zumutung ist die Dinger hier auf dem Ladentisch zu haben und ich den wohl desinfizieren muss. Und das muss ich Herr Brettschneider, sie können sich nicht vorstellen….“
„Emma, die Kundin hat sich telefonisch hier über sie beschwert und ich habe ihr die Rücknahmen der Ware zugesichert.“
„Außerdem war sie unverschämt und nicht ich. Sie hat hier lauthals behauptet wir würden die Leute betrügen.“
„ Und was war das mit Gene Kelly? Emma ich schätze sie und glaube ihnen, dass die Situation mehr als unangenehm ist, aber es bringt nichts hier stur zu bleiben. Nehmen sie die Aktion der Kundin nicht persönlich und tauschen sie um. Sie wird wohl gleich bei ihnen sein. Dann erwarte ich ihre Professionalität. Sie tauschen die Ware um und geben der Kundin einen Gutschein als Entschädigung mit.“
„Aber Herr Bretts…“
Und vergessen sie nicht, sich zu entschuldigen!“
„Gut, wenn sie meinen. Auf Wiederhören.“

Emma schmetterte den Hörer auf die Gabel, dass der gleich wieder herunter hüpfte, um jämmerlich gequält zu tuten. Sie kochte vor Wut und bei dem Gedanken, dass diese unverschämte Person heute noch mal im Laden erscheinen wird, trieb ihr die Zornesröte ins Gesicht. Die Geschäftsleitung fiel ihr wieder einmal in den Rücken und Emma musste die zu erwartende Triumphmine der Ekeltante, professionell an ihrem Gesäß vorbei jonglieren.
Die Umtauschrate steigt immer gegen Monatsende an. Da wird das Geld knapp und die Leute verwechseln Einzelhandelsgeschäfte mit der Pfandleihe. Nach Weihnachten werden grundsätzlich unbeliebte Geschenke in Bares umgesetzt und wenn es draußen wärmer wird braucht so mancher das dicke Paar Wollsocken nicht mehr.
Wollsocken! Ja sie lesen richtig. Dabei handelte es sich dieses Mal aber nicht um einen ungetragenen farblichen Fehlgriff, der einem erst drei Monate später bewusst wird, nein, sondern um einem intensiven Alltagstest unterzogenenem Paar Alpaka – Strümpfe.
Gut, vielleicht bemerkt man ja erst nach Wochen, dass man das Material nicht verträgt oder die dicken flauschigen Teile nicht in einen Pumps passen, doch dann erscheint es doch als völlig normal, dass man solche Teile unverzüglich in den Laden zurückträgt.
Anders jedoch diese Kundin:
Schnaubend betrat sie Emmas Fundgrube, um sich vor ihr als verdeckte Ermittlerin der Woll-Qualitäten-Mafia, zu outen. Es bahnte sich regelrecht ein Wirtschaftsskandal an, dem das Aufdecken krimineller Labelfälschung folgte.
„Diese Socken bestehen aus allem nur nicht aus Alpakawolle!“
Eröffnete die Strumpfträgerin das Spektakel, indem sie eine völlig zerknautschte Tüte auf den Tresen schleuderte.
Diese bedrohlich wirkende Art der Körpersprache, ließ Emma sofort einen Schritt zurück weichen.
„Was bringt sie denn zu dieser Überzeugung?“ erkundigte sich Emma vorsichtig, weil sie nicht wusste, ob sich in der anderen Hand der Kundin, eventuell eine Keule befindet.
„Ganz einfach: Weil ich Alpaka sehr gut vertrage und dieses anscheinend minderwertige Material überhaupt nicht.“
Sie griff beherzt in die schmuddelige Tüte und gab den Blick auf ein grauenvolles Unheil frei.
Nun werden sie vermuten, dass die Kundin ein Paar bunt gekringelter Fußsäckchen auf den Ladentisch legte, aber nein:
Sie stellte.
Ja, sie stellte einen genau definierbaren Linken und einen deutlich ausgeprägten Rechten auf die Theke.
Emma hatte mal ein Seminar für Fußpflege besucht und konnte sofort erkennen, dass die Kundin links durch einen Spreiz-Knick-Fuß und rechts durch einen Senkfuß, gepeinigt war.
Die Exemplare des Grauens standen leicht x-beinig vor Emma, wobei die Zehenpartie leicht nach oben deutete.
Es blieb nun Emmas Phantasie überlassen, wie lange es wohl dauern mag, um aus feinster Wolle solch perfekte orthopädische Exponate, zu schaffen.
„Wie gesagt, vertrage ich Alpakawolle ausgezeichnet, aber von diesem Material bekomme ich eine Allergie. Meine Füße jucken schrecklich und sind wirklich schlimm gerötet. Ich bin mir absolut sicher, dass hier nicht nur drin ist, was auf dem Etikett steht, sondern dass es sich um ein Mischgewebe handeln muss. Das ist Betrug! Sie gaukeln hier den Kunden Sachen vor, die so nicht sind. Was glauben sie was das für einen Allergiker bedeutet, wenn er eh schon nicht alles tragen kann? Ich möchte sofort mein Geld zurück!“
Emma hatte schon viel gesehen: bis zum Stummel abgebrannte Kerzen, von denen der Kunde behauptete, sie brennen nicht, Teekannen mit intensivem Kalkrand und den schönsten Ornamenten aus Rotbuschtee, die garantiert noch nie benutzt wurden und dreiviertel leer gefutterte Bananenchipstüten, die total widerlich und ranzig schmeckten.
Doch dieser Anblick war Emma nun wirklich zuviel.
„Die Socken sind aber schon getragen, die kann ich ihnen nicht umtauschen“, erwiderte Emma, ohne den Blick von den vor ihr stehenden Allergieauslösern zu nehmen.
„Natürlich sind die getragen, sonst wüsste ich ja nicht, dass hier was reingemischt wurde.“
„Ich meine, die sind schon länger getragen“, entgegnete Emma und ließ das Paar nicht aus den Augen, weil sie vermutete, die Dinger könnten jeden Moment davon laufen.
„Sicher! So etwas merkt man nicht nach zwei-drei Tagen, ist doch logisch.“
„Entschuldigung, aber ich bin mir sicher, dass es nicht am Material liegt. Das ist... das war sicherlich hundert Prozent Alpaka.“
„Das ist unverschämt. Sie zweifeln daran, dass ich die Wahrheit sage? Sie beschuldigen mich auch noch eine Schlampe zu sein?“
„Nein, nein.“ Emma wurden die zwei fast zum Leben erweckten Strümpfe auf der Theke zunehmend unheimlicher, da mittlerweile ein dezenter Duft aufstieg. „Wenn die Teile schon zu Atmen beginnen, ist ihr erster Schritt nicht weit“, dachte Emma und appellierte:
„Bitte nehmen sie die Socken hier weg, bevor die hier „I´m singing in the rain“ steppen!
Ich kann die Ware in diesem Zustand nicht umtauschen, das müssen sie doch verstehen.“
„Das ist eine bodenlose Unverschämtheit. Ich werde mich über sie beschweren.“
Die Plattfüßlerin verstaute, die zu Hüttenschuhen mutierten, Teile vorsichtig im Plastiksack, weil sie wohl selbst befürchtete, dass sie einfach in der Mitte zerbrechen könnten und verließ schimpfend den Laden.
Etwa zwanzig Minuten später folgte dann Brettschneiders Anruf aus der Zentrale.
Nach der unnötigen Debatte dauerte es nicht lange, bis die Kundin wieder den Laden betrat.
„Hat sie ihr Chef schon informiert?“ Schnippte sie.
Emma nickte nur und gab der Zweibeinerin das Geld und den Gutschein. Die von Brettschneider geforderte Entschuldigung, blieb allerdings in Emmas Kehle verschlossen.
Als die Frau in die Schrumpeltüte fassen wollte, wehrte Emma sofort ab:
„Bitte nicht rausnehmen. Das ist schon gut so. Wenn sie die Tüte vielleicht gleich hier rein tun möchten?“
Emma hielt der Kundin einen leeren Pappkarton hin, auf dem mit rotem Textmarker stand:
Retoure.
Zu Händen Herrn Brettschneider.
Gruß Gene Kelly.

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