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Nachtschattengewächse

In regelmäßigen Abständen bekommt Emma einen neuen Schliff verpasst. Dann wird ihr mal wieder der Kopf in die richtige Richtung gedreht und sechs lange Stunden eingetrichtert, worum es in diesem Spiel eigentlich geht: U m s a t z !
Um eine bestimmte Tomatensorte zu verkaufen braucht es kein großartiges Talent. Solange der Paradeiser rot und wohlgeformt in der Auslage liegt, verkauft sich das Teil von alleine. Hier ist eher Emmas Mutterinstinkt gefragt, der das edle Nachtschattengewächs vor Quetschattacken und Pulorgien beschützt.
Völlig anders ist das mit der Kosmetik. Hier schlummert einer der umsatzstärksten Marktsegmente in edlen Tiegeln und Tuben im Regal.
Damit dieses Regal-Dornröschen aus seinem Schlaf erwacht, gibt es regelmäßig eins auf die Zwergenmütze und Emma wird zum viertausendsten Mal daran erinnert, dass eine in Falten gelegte Frau jenseits der vierzig, eine Dame mit anspruchsvoller Haut ist.
Es gibt gar keine Falten, nein, es gibt höchstens niedliche Mimikfältchen aus den Tagen in denen noch heftig gelacht wurde.
Genauso wenig gibt es die legendäre „Reife Haut“. Ein absolutes Unwort, das mit Rollenspielen bis zum Erbrechen abgestraft wird.
Die nach tausend Blüten duftende Referendarin ist durch ebenso viele Solariumsstunden gezeichnet und war im frühren Leben Kosmetikerin. Von der Weite betrachtet, könnte man die Frau um ihr Aussehen wirklich beneiden. Mit der ersten Tube Nachtcreme, die sie persönlich durch den Saal reicht, erkennt man jedoch deutlich, dass die Dame mit der anspruchsvollen Haut eine Liebhaberin von Komödien sein muss und ihr Gatte den Guinnessrekord im Witzeerzählen innehält.
Emma ist immer wieder fasziniert, wie deutlich man eine zwanzigprozentige Reduzierung einer Hautvertiefung, die durch Mister Bean verursacht wurde, unter dem Elektronenmikroskop erkennen kann. Der Beamer zeigt im Sekundentakt revolutionäre Bilder von Hautrötungen, Cuperosebäckchen und Ilse Werner Schluchten. Letzteres sind die klitzekleinen Vertiefungen am Lippenrand, die von all zu vielem Pfeifen kommen.
Emma ist begeistert von den Vorher-Nachher – Aufnahmen, die nur durch Kleinigkeiten den Gedanken an ein Bildbearbeitungsprogramm aufkommen lassen.
Mittlerweile hat Emma richtige Speckpratzen und langsam gibt es nette kleine Würstchen zwischen den Händen, wenn sie das nächste Tübchen zur Probe quetscht, um Konsistenz und Duft zu überprüfen.
Den zweiten Teil dieser Produktschulung verbringt Emma dann damit, die Würstchen auf dem karierten Block aufzureihen und den verschiedenen Hautbildern zu zuordnen. Vergeblich wartet sie auf die wahren, revolutionären Neuigkeiten im Kampf gegen das Altern. Wobei man ja das Wort „Altern“ ja auch nicht mehr sagen darf, selbst Anti-Aging ist passe. Heute spricht man von Pro-Aging oder Wellness-Kur zur Erhaltung der dermatologischen Elastizität.
Doch auch junge Haut braucht Pflege und hat ihre Probleme. Allerdings darf man nie von einer Problemhaut sprechen.
Steht eine jugendliche Kundin mit einem unübersehbaren Pickel am Kinn vor einem, konzentriert man den Blick auf ihre Nasenspitze. So verhindert man Gefahr zu laufen, auf das jeden Moment auszubrechen drohende Vulkanekzem, zu starren.
Geschickt erklärt man dann ganz nebenbei, dass diese Emulsion auch bei eventuellen, umweltbedingten Hautirritationen, hilft. Schließlich hat kein Mensch unreine Haut und Pickel bekommt man im Baumarkt.
Bei jeder Beratung ist es das Schwierigste, dem Kunden klar zu machen, wie wichtig die Reinigung der Haut ist. Verkaufszahlen zeigen eindeutig, dass weitaus mehr Sälbchen und Cremes verkauft werden als Reinigungsprodukte. Immer noch hält sich die Meinung, es genüge das Gesicht mit normaler Seife oder gar nur mit Wasser zu reinigen.
Selbst ein gewöhnlicher Seidenschlüpfer bekommt ein geeignetes Waschmittel, jeder PKW-Besitzer achtet darauf in welcher Waschanlage sein Wagen schonend gereinigt wird. Doch für sein Gesicht tut es dann Kernseife.
Emma weiß, dass man Kosmetik nur gut verkaufen kann, wenn man selbst ein strahlendes Hautbild vorweisen kann. Bei ihrem Monatslohn reicht es allerdings auch oft nur für das hübsche Tiegelchen vom Discounter, welches ihre Mimikvertiefungen zwar auffüllt, aber keine lang anhaltende Wirkung zeigt. Dafür sieht es im Badezimmer richtig gut aus.
Während sie ihre Würstchen auf dem karierten Papier sortiert und die dritte Runde Schiffeversenken gegen sich selbst verloren hat, sehnt sie das Ende der Veranstaltung herbei, um das obligatorische Dankeschön entgegenzunehmen.
Die Referendarin ermahnt noch einmal, welch Wundermittel ihre Firma geschaffen hat und bedankt sich mit einer kleinen, edlen Papiertüte für die Aufmerksamkeit.
Emma ist natürlich neugierig.
„Hoffentlich etwas passendes für meinen Hauttyp, Nachtcreme könnte ich brauchen“, denkt sie noch, während sie schon in der Tüte wühlt.

„Ich dachte ich tu ihnen mal was richtig Gutes meine Damen. Und da wir alle Füße haben, hab ich ihnen die neue Fußcreme mit Latschenkiefer eingepackt. Genießen sie dieses wundervolle Produkt“.

Also wird Emma auch in Zukunft ihre Ilse Werner Schluchten stolz durch den Laden tragen und darauf achten, dass keiner den Paradeisern zu Leibe rückt.
KleineKatze - 26. Apr, 21:34

Tja... Man kann halt nicht alles haben. Zumindest gepflegte Füße. Auch wenn die bei den Temperaturen unter den Socken keiner sieht.

der Flaneur (Gast) - 27. Apr, 09:59

Das Betasten und Beriechen

von Cremes und Lotions reicht natürlich nicht aus, um den Absatz zu fördern. Wichtig ist der Hinweis auf die "Wohlfühlelemente inmitten der pulsierenden Metropole", die man ab sofort hier (http://www.beiersdorf.de/Area-Press/Latest-News.aspx?l=1&id=1298) finden kann,

lächelnde Grüße

der Flaneur

Tante Emma rechnet ab - 27. Apr, 20:14

ein Nivea-Haus??????
ich fass es nicht *lol*
Au-lait - 27. Apr, 14:44

Ich kräusle meine Stirn und frage schüchtern: Wer war doch gleich Ilse Werner? :)

Tante Emma rechnet ab - 27. Apr, 20:12

die Dame war in den 30ern und 40ern dabei, auf alles zu pfeiffen. Sie war echt Kunstpfeiferin und hatte in den 60ern ihr großes comeback "wir machen Musik".
Und sogar mit den Scorpions und den Ärzten war die Gute im Studio. Das pfiffige Solo in "winds of change" zb.
Na ja, man muss sie sicher nicht kennen aber ich hab
mit ihr das Pfeifen gelernt ;-)
Aka (Gast) - 12. Mai, 09:35

So alt bist du schon? Das hätte ich jetzt nicht gedacht ;)

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