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Es reicht

Mittwoch, 10. Mai 2006

Im Märzen der Bauer…

„Haben sie Äpfel aus neuer Ernte?“
„Ja, hier. Der Royal Gala ist ganz neu eingetroffen.“
„Wo kommt der her?“
„Chile.“
„Chile? Haben sie etwa keine deutschen Äpfel?“
„Schon, aber keine neue Ernte.“
„Und warum nicht?“
„Nun, es ist erst Anfang Mai.“
„Was hat denn das damit zu tun?“
„Die Apfelbäume beginnen gerade mal zu blühen.“
„Also ihr findet auch für alles ne Ausrede.“

Ja, Emma schiebt gerne alles auf das Wetter. Das hat sie schon Ende Januar gemacht:

„Woher ist der Kopfsalat?“
„Frankreich.“
„Aus Frankreich? Ne den will ich nicht.“
„Ist aber ne prima BIO-Qualität. Demeter - Anbau.“
„Ne, also den Franzosen trau ich nicht, womöglich ist der auch noch aus dem Gewächshaus.“
„Natürlich, bei den Temperaturen gibt es in Frankreich noch keinen Freilandsalat.“
„Und deutschen haben sie keinen?“
„Nur Kartoffel- oder Wurstsalat.“


Da besitzen sie die Fähigkeit, ganze Ketten mehrfach ungesättigter Fettsäuren runter zu beten wie einen Rosenkranz, und sind dann total entsetzt wenn sie erfahren, dass Radieschen an Heilig Abend in einem beheizten Hochbeet das Krippenspiel verfolgen.
Die Erde ist eine Scheibe, Kinder bringt der Storch und Rosenkohl gedeiht in Netzen auf dem Feld. Außerdem wissen alle, dass Heidi Klum die fettfreien Gummibärchen erfunden hat.
Sie glauben einem, dass Nachtcreme müde macht und sie deshalb nicht am Tag verwendet werden soll. Rechtsdrehende Joghurtkulturen haben den Friedens-Walzer erfunden und Cholesterin ist eine Erfindung der NASA.
Aber wenn Emma sagt:
„Meerrettich ist im Moment so teuer weil sämtliche Taucher streiken“,
dann glaubt das kein Mensch.

Montag, 8. Mai 2006

Vorsicht ätzend !

Es gibt Tage an denen sich sämtliche Unarten der Menschheit unter einer alten Platane versammeln.
Selbst nach Jahrzehnten steht so ein Baum noch mickrig da und auch die verwegenste Promenadenmischung, verweigert hier das Wasserlassen.
Die Wolke aus purer Ignoranz und Flegelhaftigkeit zieht wie Blütenstaub die Straße entlang und sucht sich den nächsten Laden, wobei es keine Rolle spielt, ob dieser schon geöffnet hat.

Es sind noch gute fünf Minuten bis Emmas Pforten sich öffnen und hinter den Kulissen wird hektisch das große Ereignis vorbereitet.
Kunden gehen ja im Allgemeinen davon aus, dass die Minuten vor Ladenöffnung reine Schikane sind. Eigentlich sind Verkäuferinnen ja schon seit Stunden im Haus und stehen kichernd und Kaffe schlürfenden hinter der verdunkelten Theke und drehen den ersten Pfannkuchengesichtern eine lange Nase. Dienstleistende würden niemals, auch nur eine Sekunde, zu früh einen Laden öffnen, um einen pünktlichen Kunden zu empfangen.
Nein, wo denken sie hin?
Es ist die Macht der kleinen Frau, die den Schlüssel hat. Und der wird erst Schlag halb neun umgedreht. Aus Prinzip und Boshaftigkeit, versteht sich.
Die zwei Stunden vor Ladenöffnung ist eine Verkäuferin nur im Laden, um sich ordentlich zu schminken und die Fingernägel zu richten. Frisches Obst und Gemüse wächst ja bekanntlich während der Nacht nach und der klägliche Rest von ein zwei Milchflaschen und einem Laib Brot, ist ja schließlich schnell eingeräumt.
Emma kann Pfannkuchengesichter nicht ausstehen. Sie pressen ihre Visage so stark gegen die Scheibe der Eingangstür, dass sie nur noch schwer als menschliche Wesen zu identifizieren sind. So spähen sie in den dunklen Laden um etwas Lebendiges zu entdecken, das man noch vor dem ganzen Trubel etwas nerven kann. In den Wintermonaten, wenn es draußen noch dunkel ist, kann einen ein solcher Anblick zu Tode erstarren lassen.
Emma stellt grundsätzlich Rollwagen mit den leeren Kartons von innen an die Türen, damit eindeutig ersichtlich ist, dass es hier noch kein Reinkommen gibt.

Der Laden ist noch dunkel, die Tür ist mit Kartons verrammelt und die Uhr schlägt noch nicht halb Neun.
Mit massivem Druck und enormer Kraft schiebt sich die Tür gerade so weit auf, dass ein schmaler, bebrillter Kopf gerade bis zu den Ohren durchpasst:
„Haaaben sie schon geööffnet?“ kreischt es verdächtig biologisch durchs Ladendunkel. Es ist eine Müslikandidaten, die anscheinend noch weiß was Revolution heißt.
„Nein, SIE haben geöffnet!“ Das ist Emma, die weiß wie man einen Putsch verhindert.
„Bitte gedulden sie sich noch ein paar Minuten, wir sind gleich so weit.“
„Kein Problem. Ich dachte nur ich frag mal nach.“
Ich dachte nur… Was dachte die Spargelnixe? Dachte sie wir verbarrikadieren uns vor dem Pöbel und machen hier eine spirituelle Hanf-Session?
Die Tür fällt zurück ins Schloss und Emma kann sich das Kichern nicht verkneifen, als sich die Henna-Pracht zum einen Teil draußen, zum anderen Teil drinnen befindet.
„Oh, Sorry, meine Haare.“
Platanentage fangen genau so an und Emma holt noch einmal tief Luft, bevor die eigentliche Plage beginnt.
Wortlos treten Menschen ein, die mit den Worten „Guten Morgen“ ein ernsthaftes Problem zu haben scheinen. Ja, manche sind sichtlich empört über diese plumpe Anmache:
„Grüßen freundlich und am Ende knöpfen sie mir mein Geld ab.“
„Die sollen mal schön grüßen, dafür werden sie ja bezahlt. Ich nicht.“
Wie Leuchtbänder ziehen solche und ähnliche Sätze, gut lesbar durch den Raum.

Wie groß so ein Einkauf wird, weiß kein Mensch im Voraus. Das ist klar. Drum nimmt man vorsichtshalber ein kleines Körbchen anstatt den großen Wagen, für den man bei Emma nicht einmal einen Euro braucht.
Das elegante Gitter mit Tragegriff ist so herrlich unpraktisch und ständig im Weg wenn man ins Regal greifen will. Schließlich braucht man beide Hände um die es in den Cornflakes Tüten richtig krachen zu lassen.
Also stellt die liebenswerte Kundin das Körbchen einfach immer wieder ab. Logisch.
Damit es am Wegesrand nicht völlig undekorativ rum steht, stellt es die Frau mit Sinn fürs Wohnliche, unter Berücksichtigung aller Regeln des Feng Shui, mitten in den Weg.
Vorzugsweise am Anfang einer Regalreihe, damit kein Eindringling unbemerkt das Revier betreten kann.
Diese Methode wird sofort von den Anderen übernommen. Es scheint schick und einfach zickig und hipp zu sein, wenn man herablassend einen Stolpernden von oben bis unten anschauen kann und ein „Pass halt auf du Trampel“, gar nicht mehr aussprechen muss.
„Entschuldigung, ich hab das hier wohl unpassend abgestellt“, ist und bleibt ein absolutes Zeichen von Schwäche und wir tunlichst vermieden.
So kommt es an diesen Tagen vor, dass Emma wie ein Storch durch den Laden stapft. Wenn sie in guter Form ist, bleibt sie auch nur an jedem dritten, hoch stehenden Griff mit dem Fuß hängen und spürt nach einer Stunde auch keinen Schmerz mehr im Knöchelbereich.
Die absolute Krönung erfolgt dann an der Kasse.
Der völlig überladene Korb wird mit einem Blick der Verachtung aufs Band gewuchtet.
Ja, Kassen werden grundsätzlich aus Boshaftigkeit so hoch gebaut. Es soll dem Kunden richtig die Schweißperlen auf die Stirn treiben. Er soll überlegen ob er Reißen oder Stemmen soll. Und diese ganze fiese Sache hat die Verkäuferin, die bequem auf ihrem Stühlchen sitzt, unter Kontrolle:
Sie betätigt mit dem Fuß, unter der Kasse eine hydraulische Pumpe, die den Kassentisch immer noch ein Stückchen anhebt.
Diese Unverschämtheit wird bestraft, schließlich ist der Kunde König.
Ein halber Kubikmeter Ware lauert zusammen gestaucht hinter Gittern.
Und da lauert er.
Er wartet und lauert.
Noch immer wartet er.
Die Königin ist erschöpft und blickt auf den Korb.
Emma ist erstaunt und blickt auf den Korb.
Die Königin ist empört und blickt auf Emma.
Emma ist verwundert und blickt zur Königin auf und dann auf den Korb.
Die Königin verschränkt die Arme vor der stolzen Brust und blickt auf den Korb und dann auf Emma.
Vielleicht soll Emma den Inhalt einfach Schätzen, oder durch ihre Röntgenmaschine schleusen. Eventuell sollte sie jetzt sagen, dass das Körbchen heut aufs Haus geht und fragen ob sie es der Meisterin zum Gespann tragen soll.
Die Schlange an der Kasse wächst und wird heute ihrem Namen gerecht werden, indem sie gut beobachtet um anschließend den Ablauf der Prozedur, genauestens einzuhalten.

Die Königin gewinnt:
Emma zupft und zerrt die Tütchen und Schächtelchen aus dem Körbchen. Vor Wut könnte sie die Königin, mindestens eine Stunde lang, nach Sonnenuntergang, in den adeligen Hintern treten. Doch da hätte die Gewerkschaft der Könige was einzuwenden.

Ist der Korb dann endlich ausgeräumt, kann Emma anfangen die Waren zu scannen.
Dieser Vorgang wird von der Königin genau überwacht, was es ihr natürlich nicht möglich macht, bereits registrierte Ware einzupacken oder ans Ende der Kasse zu schieben.
Nein, da bleiben Majestät eisern. Die adelige Position wird nicht verändert.
Für Emma ist es ein heikler Moment der Dame vorsichtig beizubringen, dass sie für die Schätze, die sie eben eingesammelt hat, Golddukaten aus ihrem Beutel zaubern muss.

Es ist absolut erstaunlich wie irritiert Kunden sein können, wenn sie erfahren, dass das alles richtiges Geld kostet. Dann fällt ihnen ein, dass sie mal über ein Portemonnaie verfügt haben. Aber wo ist dieses Teil, war es aus Leder oder war es doch der kleine schwarze Koffer?
Es kann verdammt lang dauern, bis diese Gedankeschleife zu Ende gedacht ist.

Zögerlich bezahlt Madame und schaut völlig ratlos auf den Haufen Waren vor sich.
„Hätten sie vielleicht `ne Tüüüte?“
„Ja, Platanen-Königin. ICH hab ´ne Tüte. Ich habe sogar ganz viele Tüten. Sie etwa nicht?“

Das wird Emma am letzten Platanentag vor ihrem Ruhestand sagen.
Nein, sie wird es zwitschern, sie wird es laut singen und dazu ihren Namen tanzen.

Donnerstag, 6. April 2006

Senor Ignoranza

Nach einem 12-Stundentag erfährt Emma meist die wundersame Heilung des Feierabends, der schon vor der Tür steht. Dann werden die fahrbaren Leckereiengondeln wieder reingeholt, Straßenreiter mit der aktuellen Werbung zusammen geklappt und meist noch ein Pfund ausgespuckter Kaugummis eingesammelt.
Emma liebt diesen Moment, wo sie die kühle Luft des Abends einsaugen kann und das Wagenklappern in den Ohren, mit dem schon merklich ruhiger gewordenen Lärm nach hause fahrender Autos, zum Schweigen bringt. Jetzt liegt zwar noch eine Stunde arbeit vor ihr, aber die geschieht unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Die letzten Kunden verlassen nur in den seltensten Fällen pünktlich den Laden, daran hat sich Emma schon lange gewöhnt und das ist für sie auch kein Problem. Womit sie sich jedoch nie abfinden wird, ist die Tatsache, dass nahezu allabendlich mindestens Einer, durch das Wirrwarr der Kartonagenrollis und Gondeln zwängt, um noch ins Ladeninnere zu gelangen. Dabei scheut er nicht davor zurück selbst Hand anzulegen, um durch den eigentlich nicht mehr betretbaren Eingang zu gelangen.
Einmal hatte Emma schon den Schlüssel ins Schloss gesteckt und beim Zudrücken der Tür nach hinten geschaut, um sicher zu gehen, dass sich niemand mehr im Laden befinden, als sich ein hagerer Mann durch den Spalt zwängte, freundlich nickte, um dann im Laden zu verschwinden. Sie ließ in gewähren, war er doch der erste heute, der freundlich gegrüßt hatte.
Was häufiger geschieht ist, dass sich beim Schließen der Tür plötzlich ein Fuß dazwischen befindet.
„Machen Sie schon zu?“
„Nein, natürlich nicht, ich übe nur schon mal das Absperren!“
Verdammt, wie blöd kann man eigentlich fragen?
Noch schlimmer ist die Situation, wenn die Tür, glücklicherweise ohne Fußverletzungen, schon verriegelt ist, und sich dann ein Pfannkuchengesicht gegen die Scheibe drückt, dazu wie ein afrikanischer Congaspieler mit den Fäusten gegen das Panzerglas donnert, um dann laut zu rufen:
„Haben sie schon zu?“
Emma nickt dann überdurchschnittlich freundlich und zuckt hilflos mit den Schultern, während sie auf die Uhr zeigt und in Bauchrednermanier murmelt:
„Nein wir haben noch nicht zu, wir lassen nur SIE nicht rein.“ Oder auch:
„Dud mir leid, nix Schlüssel, nur Lade butzen.“ Manchmal aber entweicht Emma ein:
„Könnten sie Hilfe holen, man hat uns hier eingesperrt.“

Hat es ein Kartonhopser oder Palettenschieber dann doch noch geschafft in Emmas Hallen zu wandeln, schließt sie vorsichtshalber die Tür trotzdem schon mal ab. Diese Leute verfügen nämlich über einen Lockstoff, der enorme Wirkung auf freilaufende Menschen hat, die sich noch auf der Straße befinden.
Hatte der Schlangenmensch, auch der kleine Bruder des Hochwassers genannt, eben noch beteuert, er brauche nur noch ganz schnell etwas sehr wichtiges, finden ihn Emmas Augen auch schon, gemütlich einen Einkaufswagen schiebend, wieder.
Jetzt wird es Zeit für ungemütliche Stimmung zu sorgen. Also wird gepoltert, die ersten Lichter erlöschen und Emmas Putzlappen klatscht alarmierend auf die Fliesen. Meist bleibt dies ohne Wirkung und sie muss dann doch etwas nachhelfen:
„Entschuldigung, kann ich ihnen noch etwas helfen?“
Diese Frage versetzt ihn zurück in seine Trotzphase. Jetzt herrscht kalter Krieg. Der Blick ist jetzt eisern in den Regalen verankert, die Mimik täuscht maßloses Interesse an Zutatenlisten vor und jede Bewegung gleicht dem eines Faultieres.
„Nein, danke, ich komm schon zu recht. Ich schaue nur ein wenig.“
„Sie schauen mir jetzt ein wenig zu viel, und ob sie zu Recht kommen oder nicht, das entscheide immer noch ich.“ Das wären jetzt die Worte, die Emma so gerne sagen würde, aber sie verkneift sich diese Antwort genauso, wie die anderen hundertachtundzwanzig des Tages.
Sie weiß, dass jetzt jede Reaktion von ihr die Sache nur noch schlimmer macht und der Typ nie zum Ende kommt. Also widmet sie sich den Arbeiten, die sie schon mal erledigen kann, bis sich Carlos Ignoranza bequemen wird, die Kasse aufzusuchen.
Dort dann endlich angelangt, schaut er verwundert hoch und sondiert total entgeistert den leeren Laden:
„Ach, sie haben ja schon Feierabend. Bin ich etwa der Letzte?“
„Si, Senor Ignoranza, sie sind der Allerletzte!“

Dem geschenkten Gaul…

Emma war nicht immer Fremdenführerin bei der Fress-Safari. Sie hatte auch schon das Vergnügen, in einem kleinen Laden eines Einkaufscenters ihre Studien zu machen, wo es ausschließlich Geschenkartikel gab.
Seither weist Emma ihren ganzen Bekanntenkreis darauf hin, lieber auf Glückwunschbeurkundungen zu sämtlichen Anlässen, zu verzichten.
Geben ist seliger als Nehmen, aber Reduziertes ist immer gut genug.
Unter diesem Motto erlebte Emma, wie Leute Dinge auswählen um anderen eine Freude zu machen. Nämlich total genervt und immer nach der Devise: nur ne Kleinigkeit, die wenig kostet, aber Hauptsache pompös verpackt.
So wurden einzelne Badekugeln zum Fünfzigsten verschenk, allerdings im Spankörbchen, mit Holzwolle ausgefüttert und Plastikblume am Griff. Das „made in Hong Kong" würde selbstverständlich abgepult werden. Es gibt nichts hilfloseres in der Kundenwelt, als einen Menschen, der nach einem passenden Geschenk sucht.
Heute hätte man die technischen Möglichkeiten, dem gekauften Geschenk eine Video-CD beizulegen, auf welcher der Beschenkte minutiös miterleben könnte, unter welchen Umständen, mit welchem körperlichen Einsatz und vor allem, mit welcher Freude, sein Geschenk erstanden wurde.
Selbstverständlich würde Emma den Silberling gerne ohne Wissen des Kunden produzieren und ihn - dezent verpackt - an den Jubilar senden. Dann wäre es nämlich eine gelungene Überraschung für beide Seiten.
Keine Angst, Emma hat bisher immer darauf verzichtet, um Ausschreitungen im Familienkreis nicht unnötig zu forcieren und Massaker unter Freunden und Bekannten zu vermeiden.
Klar ist jedoch, dass nichts schöner ist als das zu verschenken, was man auf keinen Fall selbst und auch kein Anderer haben wollte.
In Emmas schnuckeliger Geschenkboutique gab es immer eine Schnäppchenecke. Dort warteten Teetassen mit einem Sprung, Kerzenleuchter, die nicht mehr wussten in welche Richtung sie mal sollten, Duftsäckchen, denen der halbe Inhalt abhanden gekommen war und jede Menge anderer Sachen, die eben nur noch die Zweitschönsten waren. Doch wenn man eine qualitativ hochwertige Kerze möchte, aber nur den halben Preis dafür zahlen braucht, kann man doch ein paar Macken in Kauf nehmen.
So verfrachtete Emma täglich irgendwelche fast zu Bruch gegangene, oder versehentlich ausgepackte und von Kunden malträtierte Objekte, in ihr „Nimm mich mit“ Eckchen.
Kam ein Geschenksuchender in den Laden, war dies immer die erste Anlaufstelle. Die Wahl fiel dann logischerweise auf das Teil, das am wenigsten beschädigt war. Nun kam aber der eigentliche Akt der Verhandlung:
„Sie, Fräulein, kann man da am Preis noch was machen?“
„Tut mir leid, das haben wir doch schon reduziert.“
„Hmmm, ja, aber das ist hier ja schon ganz zerkratzt.“
„Ja, drum haben wir es ja im Preis gesenkt, und seinen Zweck erfüllt es ja auch mit den Schrammen.“
„Schon, aber es soll ein Geschenk sein. Das kann ich doch so unmöglich verschenken.“
„Nein, als Präsent macht es sich nicht mehr gut, da haben sie Recht.“
„Also machen sie da noch was am Preis?“
„Wie schon gesagt, das hab ich schon reduziert und durch eine weitere Preissenkung wird das Teil seine Macken auch nicht verlieren.“
„Das ist jetzt aber unverschämt und überhaupt nicht kundenfreundlich.“
„Schauen sie, hier haben wir noch jede Menge davon, die sind alle top in Ordnung, ein schönes Präsent wäre das, ich verpacke es ihnen auch gerne hübsch.“
„Pfff, die kosten ja gleich das Doppelte. Kann man da am Preis was machen?“
„Nun, wir können etwas mit dem Hammer drauf klopfen bis die Lackierung absplittert und es dann reduzieren.“
Diesen Satz hätte sich Emma sparen sollen, denn damit brachte sie die Kundin auf eine prima Idee:
Erst verschwand die Kundin mit der Bemerkung, sie müsse sich das noch mal überlegen, aus dem Laden. Etwa eine halbe Stunde später, tauchte die Frau im mittlerweile gut besuchten Geschäft wieder auf. Unauffällig verschwand sie im Gewusel der Suchenden, um nach einigen Minuten mit dem zuvor heiß begehrten Stück an der Kasse aufzutauchen.
Emma hatte Mittagspause und hielt sich im kleinen, an den Laden grenzenden, Lagerraum auf. Durch den Türspalt konnte sie das Geschehen an der Kasse mitverfolgen.
„Sie Fräulein, schauen sie mal. Das ist hier unten etwas zerkratzt.“
„Zeigen sie mal her.“ Erwiderte Emmas Kollegin und blickte fachmännisch auf die Unterseite des Stückes.
„Hmmm, ich weiß nicht, schlimm sieht es nicht aus, aber ich schau mal ob wir noch ein anderes haben.“
„Haben sie nicht, das ist das letzte, die anderen sind alle in blau.“
„Achso, aber die anderen wären alle ohne Spuren und sind doch auch schön.“
„Nein, ich brauche genau dieses hier, es ist schließlich ein Geschenk, und meine Schwägerin mag kein Blau.“
Emma drückte vor Wut die Leberwurst aus ihrem Brötchen und wäre am liebsten in den Laden gesprungen. Da ihr aber dann doch ihr Mittagstisch wichtiger war, lauschte sie weiterhin der Szenerie.
„Kann man da am Preis was machen?“
„Ähmm, also, die Chefin ist gerade in der Pause, ich weiß nicht recht….“
Von der aufdringlichen, langsam pampig werdenden Kundin eingeschüchtert, gab Emmas Kollegin damals 20 % Rabatt auf diesen Artikel.
Natürlich sollte sie das Stück noch schön verpacken. Es gab mit dem Firmenlogo bedrucktes Geschenkpapier, was die Kundin wild fuchtelnd sofort ablehnte.
„Könnten sie mir das bitte in dieses Papier einpacken?“
Die Frau zückte einen Bogen Geschenkfolie aus einer ihrer Tüten. Es war das ebenfalls mit Firmenlogo bedruckte Papier unserer Konkurrenz: „Edel & Fein – Geschenke von Herzen“.
Das hörte sich natürlich besser an als:“Emmas Fundgrube“.
Ein Leberwurstbrötchen später, ging Emma an das Regal, aus dem die raffinierte Schwägerin die Ware nahm, und fand an einer scharfen Kante eines blauen Exemplars doch tatsächlich kleine aufgerollte Farbwürste des vorhin verkauften und reduzierten Stückes.
Emma Watson war stinksauer und wäre sicher noch heute mit ihrer Kollegin verfeindet, hätte diese nicht beim Verpacken, den Aufkleber „Sonderpreis in Emmas Fundgrube“, auf die Unterseite geschmuggelt.

Dem geschenkten Gaul sollte man ab und zu doch mal ins Maul schauen.
In diesem Sinne: Happy Anniversary!

Dienstag, 28. März 2006

Warum Paprikaschoten nicht hupen

Neulich beobachtete Emma einen Herrn, wie er minutenlang ums Gemüse herum spazierte und jede der Köstlichkeiten einer handfesten Tauglichkeitsprobe unterzog. Er quetschte hier und drückte da, presste mal fest, mal fester und testete, ob er wohl mit dem Fingernagel geheime Runenzeichen in eine Gurke schnitzen kann.
Besonders bei den roten Paprikaschoten hielt er sich lange auf. Es schien, als faszinierten sie ihn geradezu. Emma musterte den vegetabilen Fetischisten kritisch und ordnete ihn, dank ihrer psychologischen Kundenschnellanalyse, der Kategorie „Von-Mutti-Geschickt“ zu. Es handelte sich um ein Exemplar der Gattung „Ach so sieht ein Laden von innen aus“. Immer wieder erstaunlich wie diese Zeitgenossen auf Parkplätzen überleben, wo sie ungeduldig auf Mutti warten.
Emmas Proband war immer noch an den roten, knackigen Schoten zu Gange. Wieder und wieder griff er mit seinen Pratzen, die nichts von denen eines Gynäkologen hatten, außer dass er damit genauso auf fünf zählen konnte, eine Paprika, hielt sie etwas hoch und begann, sie mit pulsierenden Bewegungen zu traktieren.
Sein Gesichtausdruck erinnerte Emma an das fragende Schauen eines kleinen Jungen, der nicht verstehen kann, warum seine Fahrradhupe keinen Laut mehr von sich gibt.
Plötzlich drang ein schreckliches Geräusch an Emmas Ohr: Ein von saftigem Aufbrechen begleitendes Knacken, das ihr durch Mark und Bein ging. Der Kunde, der anscheinend ein wissenschaftlich interessierter Mensch war und herausfinden wollte, wie unterschiedlich sich die Erhöhung der Spannung auf geschlossene Fruchtstände auswirkt, tat was Emma am meisten hasste: Er meuchelte Gemüse. Jetzt gab es für sie kein Zurück mehr, nun musste sie reagieren, um vor sich selbst zu bestehen. Ihren Groll ließ sie mit den geballten Fäusten vorerst in den Kitteltaschen verschwinden und schritt mutig voran.

„Da kommt jede Hilfe zu spät.“
„Wie?“
„Nun, sie sind tot. Alle.“
„Wie tot?“
„Na ganz tot, die machen keinen Mucks mehr.“
„Die… die sehen aber doch noch so gut aus.“
„Verstehen sie doch, es sind nur noch ihre Zellwände, prall gefüllt mit Vitaminen und Mineralstoffen, aber Leben ist da keins mehr drin. Auch die da drüben, die Tomaten, der Lauch, die Zucchini. Alle miteinander, wie sie hier liegen. Da geht nichts mehr.“
„Wie meinen sie das?“
„Der Bauer hat allen gestern auf dem Acker das Licht ausgeblasen.“
„Der Bauer? Das Licht?“
„Ja, gestochen, erst ein- dann ausgegraben, abgeschnitten, rausgerissen.“
„Also…“
„Ja, aber das ist völlig okay, das ist normal.“
„Sagen sie mal, was reden sie hier eigentlich für Zeug? Wollen sie mich verarschen?“
„Nein, um Gottes Willen!“
„Was soll dann das Geschwätz?“
„Ich wollte ihnen nur sagen, dass es so gar nichts nützt, was sie hier tun.“
„Wie? Was ich hier tu?“
„Na ihre Reanimationsversuche, ich beobachte sie schon seit den Tomaten, wie sie hier Herzmassagen durchführen. Sind sie Arzt?“
„Ach, nein, lassen sie doch den Quatsch, ich wollte doch nur sicher gehen…. Schließlich muss man ja prüfen was man kauft und meine Frau hat gesagt ich soll ja aufpassen dass ich frisches…… Ach, was rede ich überhaupt mit ihnen. Unverschämtheit!“

Entrüstet stampfte der Kunde Richtung Kasse.

Bingo – feixte Emma. Tatsächlich ein „Von – Mutti – Geschickter“.
Ihre Fäuste in den Kitteltaschen lösten sich und sie klimperte leise mit ein paar Centmünzen. Dann ging sie an ihren Spind und steckte eine Münze in ein rotes Plastikschwein.
Am Ende eines Monats zählte sie die Geldstücke immer, und wenn es mehr als zehn waren, leistete sich Emma ein großes Eis mit Sahne, waren es jedoch mehr als zwanzig, machte sie sich Sorgen um ihre berufliche Zukunft.

Montag, 27. März 2006

Einfach dufte

Manchmal hat Emma die Nase gestrichen voll. Dann stinkt ihr der Job im wahrsten Sinne des Wortes. Kurz nach 8 Uhr am Morgen ist sie dazu verdammt, frisches Sauerkraut vom Fass abzufüllen. Während der Rest der Welt sich den Duft frischer Croissants durchs Riechorgan zieht, wird Emma mit der Ursache eines gut funktionierenden Verdauungstraktes konfrontiert. Frühstück war noch nie ihre Leidenschaft, außer es geschieht nach 12 Uhr Mittag, und so trifft sie die Gewalt des milchsauer vergorenen Untergrundes auf nüchternen Magen.
Aufgrund ihres erhöhten Speichelflusses, lehnt sie dann Gespräche kategorisch ab und verzichtet aus lebensmittelhygienischen Gründen sogar auf das Pfeifen des Gassenhauers der Doofen: „Nimm mich jetzt auch wenn ich stinke“. Den Titel lässt sie eigentlich grundsätzlich durch die gespitzten Lippen strömen, wenn sie das gesäuerte Fiasko später am Tage abpackt. Ein spitzbübisches Grinsen hat sie dann um die Augen und sie genießt es, die an ihr vorbeigehenden Kunden zu beobachten.
Der beste Moment, und auf den freut sich Emma immer diebisch, ist der, wenn sie mit einem lauten Ratsch den Deckel des 25 kg Eimers öffnet. Ab da sind es nur noch wenige Sekunden, bis die ersten Kundennasen Witterung aufnehmen.
Als Emma in dieser Filiale noch so frisch war wie das Kraut im Eimer, war ihr dieser Moment einfach nur peinlich. Denn eine solche Menge Sauerkraut entwickelt, unter dem fest schließenden Deckel, binnen weniger Stunden ein Aroma, welches locker und leicht mit der Luft eines Kellerraumes in der VHS mithalten kann, in dem sich regelmäßig die Selbsthilfegruppe der unter Flatulenz Leidenden trifft.
Kurz gesagt, es riecht nach Pups.
Mittlerweile hat Emma Spaß daran, die Leute an der Nase herumzuführen und zwar geradewegs ins Fettnäpfchen. Zwar sehen sie genau, was Emma gerade tut, aber den Geruch bringen nur geeichte Stammkunden damit in Verbindung. Manchmal, wenn ein geeignetes Opfer naht, tritt Emma unauffällig auf ein Stück Luftpolsterfolie, das sie vorher rein zufällig zu Boden schweben ließ. Mit verächtlichem Blick und angehaltener Luft zieht der Kandidat an Emma vorbei.
„Puh, was für ein Aroma!“, flötet sie dann freundlich und setzt dann verkaufstechnisch korrekt nach: „das etwas so Leckeres so unangenehm riecht, erstaunt doch immer wieder. Ganz frisches, knackiges Sauerkraut vom Fass! Möchten sie mal kosten?“
In aller Regel steigt jetzt verlegene Röte ins Kundenantlitz, die für Emma das Signal zur Attacke ist.
„Ach du liebe Zeit!“, lacht sie jetzt schelmisch. „ Sie dachten….also ich meine, sie haben geglaubt, dass ich….? Oh nein, wie peinlich.“
Jetzt hat sie ihn. Der Kunde ist ertappt und seine Entschuldigung folgt prompt.
„Na zum Glück hab ich sie angesprochen, sonst würden sie ja in Zukunft immer von mir denken…..aber Schwamm drüber, hier kosten sie doch mal.“
Emma reicht dem Kunden nun sein Schüsselchen Kraut, das dieser mit Sicherheit nicht ablehnen wird. Da liegt es auch gleich auf der Hand, dass ein Pfund des edlen Sauren im Einkaufswagen landet.
So steigert sie erfolgreich den Umsatz und hat einen Kunden mehr, zu dem sie ein ganz „dufte“ Verhältnis hat.
Diese Highlights des Tages nimmt Emma als Entschädigung, als Ausgleich für die Gerüche, die ihr Tag ein Tag aus beschert werden. Am schlimmsten ist es am Samstagvormittag. Gut ein Drittel der Menschen, die dann in ihren Wohlfühlklamotten den Laden entern, halten es nicht für nötig, einigermaßen zivilisiert aus dem Haus zu gehen. Schließlich gehen sie ja nur kurz zum Einkaufen, um dann wieder im heimischen Stinkbunker zu verschwinden.
Für diese Leute wäre es die reinste Duschgelverschwendung, sich am Morgen einem Reinigungsritual hinzugeben, wenn man am Abend eh frisch und poliert aus dem Haus gehen will. Also schützen sie ihre Haut vor dem schädlichen Detergentien-Missbrauch und stinken mit Addiletten beschuht durch die Gänge.
Der betont lässige Weekendlook wird natürlich mit Jogginghosen im Outdoorstil und einem locker auf den Knien sitzenden Sweater unterstrichen. Selbiger ist im Brustbereich mit einer aufwändigen Applikation des wöchentlichen Speiseplanes versehen.
Wenn Emma jetzt noch dem Traum nachhängt, einer dieser Stylisch – Shopper würde es jemals für nötig halten, seine Plaque im heimischen Badezimmer zurückzulassen, wird sie spätestens an der Kasse herb aus dem Schlummer gerissen. Sie vermeidet es dann mit aller Macht ein Gespräch zu beginnen, doch ein solcher Kunde ist schließlich bestens gelaunt und voller Freude über das gleich nach dem Einkauf beginnende Wochenende, was er nun mit einem unmusikalischen Pfeifen auch zum Ausdruck bringt.
Jetzt reicht es Emma und sie ruft das Codewort für die Pause laut durch den Laden, um eine Kollegin auf den Plan zu rufen: „ Lager 18, bitte. Lager 18, dringend!“
Sie reißt den geblümten Vorhang zum Büro auf und wettert:
„Ja, ja, mit vollem Munde spricht man nicht. Das weiß ein jedes Kind.
Aber verdammt noch mal, wie viele Mütter haben versäumt das Mundgullipfeifen zu verbieten?
Und dann auch noch diesen uralten, völlig deplazierten Schinken – Das ist die Berliner Luft…..“
Paul Lincke – heut hass ick dir !

Kunden-Identifikation:

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Heute im Angebot:

Juli 2013
Hallo, Tante Emma, die Hoffnung stirbt zuletzt. Nach...
Miko (Gast) - 19. Jul, 09:02
2013
Hallo Tante Emma, wir denken immer noch gerne an Sie....
Kermit (Gast) - 10. Jun, 21:08
Drüben
Meine dunkle Seite Ich war schon oft dort Weiß Welchen...
Jemand (Gast) - 22. Apr, 23:49
und wieder mal
habe ich mir die Geschichten durchgelesen, nur um festzustellen,...
tweety-one (Gast) - 19. Feb, 23:53
Büttebütte
Das letzte Mal haben wir von Tante Emma am 28.12.2008...
Miko (Gast) - 4. Mai, 09:24

Was darf's denn sein?

Geschäft eröffnet seit:

6602 Tagen
Letzte Abrechnung: 8. Jan, 14:33

erdbeere

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