Vorsicht ätzend !
Es gibt Tage an denen sich sämtliche Unarten der Menschheit unter einer alten Platane versammeln.
Selbst nach Jahrzehnten steht so ein Baum noch mickrig da und auch die verwegenste Promenadenmischung, verweigert hier das Wasserlassen.
Die Wolke aus purer Ignoranz und Flegelhaftigkeit zieht wie Blütenstaub die Straße entlang und sucht sich den nächsten Laden, wobei es keine Rolle spielt, ob dieser schon geöffnet hat.
Es sind noch gute fünf Minuten bis Emmas Pforten sich öffnen und hinter den Kulissen wird hektisch das große Ereignis vorbereitet.
Kunden gehen ja im Allgemeinen davon aus, dass die Minuten vor Ladenöffnung reine Schikane sind. Eigentlich sind Verkäuferinnen ja schon seit Stunden im Haus und stehen kichernd und Kaffe schlürfenden hinter der verdunkelten Theke und drehen den ersten Pfannkuchengesichtern eine lange Nase. Dienstleistende würden niemals, auch nur eine Sekunde, zu früh einen Laden öffnen, um einen pünktlichen Kunden zu empfangen.
Nein, wo denken sie hin?
Es ist die Macht der kleinen Frau, die den Schlüssel hat. Und der wird erst Schlag halb neun umgedreht. Aus Prinzip und Boshaftigkeit, versteht sich.
Die zwei Stunden vor Ladenöffnung ist eine Verkäuferin nur im Laden, um sich ordentlich zu schminken und die Fingernägel zu richten. Frisches Obst und Gemüse wächst ja bekanntlich während der Nacht nach und der klägliche Rest von ein zwei Milchflaschen und einem Laib Brot, ist ja schließlich schnell eingeräumt.
Emma kann Pfannkuchengesichter nicht ausstehen. Sie pressen ihre Visage so stark gegen die Scheibe der Eingangstür, dass sie nur noch schwer als menschliche Wesen zu identifizieren sind. So spähen sie in den dunklen Laden um etwas Lebendiges zu entdecken, das man noch vor dem ganzen Trubel etwas nerven kann. In den Wintermonaten, wenn es draußen noch dunkel ist, kann einen ein solcher Anblick zu Tode erstarren lassen.
Emma stellt grundsätzlich Rollwagen mit den leeren Kartons von innen an die Türen, damit eindeutig ersichtlich ist, dass es hier noch kein Reinkommen gibt.
Der Laden ist noch dunkel, die Tür ist mit Kartons verrammelt und die Uhr schlägt noch nicht halb Neun.
Mit massivem Druck und enormer Kraft schiebt sich die Tür gerade so weit auf, dass ein schmaler, bebrillter Kopf gerade bis zu den Ohren durchpasst:
„Haaaben sie schon geööffnet?“ kreischt es verdächtig biologisch durchs Ladendunkel. Es ist eine Müslikandidaten, die anscheinend noch weiß was Revolution heißt.
„Nein, SIE haben geöffnet!“ Das ist Emma, die weiß wie man einen Putsch verhindert.
„Bitte gedulden sie sich noch ein paar Minuten, wir sind gleich so weit.“
„Kein Problem. Ich dachte nur ich frag mal nach.“
Ich dachte nur… Was dachte die Spargelnixe? Dachte sie wir verbarrikadieren uns vor dem Pöbel und machen hier eine spirituelle Hanf-Session?
Die Tür fällt zurück ins Schloss und Emma kann sich das Kichern nicht verkneifen, als sich die Henna-Pracht zum einen Teil draußen, zum anderen Teil drinnen befindet.
„Oh, Sorry, meine Haare.“
Platanentage fangen genau so an und Emma holt noch einmal tief Luft, bevor die eigentliche Plage beginnt.
Wortlos treten Menschen ein, die mit den Worten „Guten Morgen“ ein ernsthaftes Problem zu haben scheinen. Ja, manche sind sichtlich empört über diese plumpe Anmache:
„Grüßen freundlich und am Ende knöpfen sie mir mein Geld ab.“
„Die sollen mal schön grüßen, dafür werden sie ja bezahlt. Ich nicht.“
Wie Leuchtbänder ziehen solche und ähnliche Sätze, gut lesbar durch den Raum.
Wie groß so ein Einkauf wird, weiß kein Mensch im Voraus. Das ist klar. Drum nimmt man vorsichtshalber ein kleines Körbchen anstatt den großen Wagen, für den man bei Emma nicht einmal einen Euro braucht.
Das elegante Gitter mit Tragegriff ist so herrlich unpraktisch und ständig im Weg wenn man ins Regal greifen will. Schließlich braucht man beide Hände um die es in den Cornflakes Tüten richtig krachen zu lassen.
Also stellt die liebenswerte Kundin das Körbchen einfach immer wieder ab. Logisch.
Damit es am Wegesrand nicht völlig undekorativ rum steht, stellt es die Frau mit Sinn fürs Wohnliche, unter Berücksichtigung aller Regeln des Feng Shui, mitten in den Weg.
Vorzugsweise am Anfang einer Regalreihe, damit kein Eindringling unbemerkt das Revier betreten kann.
Diese Methode wird sofort von den Anderen übernommen. Es scheint schick und einfach zickig und hipp zu sein, wenn man herablassend einen Stolpernden von oben bis unten anschauen kann und ein „Pass halt auf du Trampel“, gar nicht mehr aussprechen muss.
„Entschuldigung, ich hab das hier wohl unpassend abgestellt“, ist und bleibt ein absolutes Zeichen von Schwäche und wir tunlichst vermieden.
So kommt es an diesen Tagen vor, dass Emma wie ein Storch durch den Laden stapft. Wenn sie in guter Form ist, bleibt sie auch nur an jedem dritten, hoch stehenden Griff mit dem Fuß hängen und spürt nach einer Stunde auch keinen Schmerz mehr im Knöchelbereich.
Die absolute Krönung erfolgt dann an der Kasse.
Der völlig überladene Korb wird mit einem Blick der Verachtung aufs Band gewuchtet.
Ja, Kassen werden grundsätzlich aus Boshaftigkeit so hoch gebaut. Es soll dem Kunden richtig die Schweißperlen auf die Stirn treiben. Er soll überlegen ob er Reißen oder Stemmen soll. Und diese ganze fiese Sache hat die Verkäuferin, die bequem auf ihrem Stühlchen sitzt, unter Kontrolle:
Sie betätigt mit dem Fuß, unter der Kasse eine hydraulische Pumpe, die den Kassentisch immer noch ein Stückchen anhebt.
Diese Unverschämtheit wird bestraft, schließlich ist der Kunde König.
Ein halber Kubikmeter Ware lauert zusammen gestaucht hinter Gittern.
Und da lauert er.
Er wartet und lauert.
Noch immer wartet er.
Die Königin ist erschöpft und blickt auf den Korb.
Emma ist erstaunt und blickt auf den Korb.
Die Königin ist empört und blickt auf Emma.
Emma ist verwundert und blickt zur Königin auf und dann auf den Korb.
Die Königin verschränkt die Arme vor der stolzen Brust und blickt auf den Korb und dann auf Emma.
Vielleicht soll Emma den Inhalt einfach Schätzen, oder durch ihre Röntgenmaschine schleusen. Eventuell sollte sie jetzt sagen, dass das Körbchen heut aufs Haus geht und fragen ob sie es der Meisterin zum Gespann tragen soll.
Die Schlange an der Kasse wächst und wird heute ihrem Namen gerecht werden, indem sie gut beobachtet um anschließend den Ablauf der Prozedur, genauestens einzuhalten.
Die Königin gewinnt:
Emma zupft und zerrt die Tütchen und Schächtelchen aus dem Körbchen. Vor Wut könnte sie die Königin, mindestens eine Stunde lang, nach Sonnenuntergang, in den adeligen Hintern treten. Doch da hätte die Gewerkschaft der Könige was einzuwenden.
Ist der Korb dann endlich ausgeräumt, kann Emma anfangen die Waren zu scannen.
Dieser Vorgang wird von der Königin genau überwacht, was es ihr natürlich nicht möglich macht, bereits registrierte Ware einzupacken oder ans Ende der Kasse zu schieben.
Nein, da bleiben Majestät eisern. Die adelige Position wird nicht verändert.
Für Emma ist es ein heikler Moment der Dame vorsichtig beizubringen, dass sie für die Schätze, die sie eben eingesammelt hat, Golddukaten aus ihrem Beutel zaubern muss.
Es ist absolut erstaunlich wie irritiert Kunden sein können, wenn sie erfahren, dass das alles richtiges Geld kostet. Dann fällt ihnen ein, dass sie mal über ein Portemonnaie verfügt haben. Aber wo ist dieses Teil, war es aus Leder oder war es doch der kleine schwarze Koffer?
Es kann verdammt lang dauern, bis diese Gedankeschleife zu Ende gedacht ist.
Zögerlich bezahlt Madame und schaut völlig ratlos auf den Haufen Waren vor sich.
„Hätten sie vielleicht `ne Tüüüte?“
„Ja, Platanen-Königin. ICH hab ´ne Tüte. Ich habe sogar ganz viele Tüten. Sie etwa nicht?“
Das wird Emma am letzten Platanentag vor ihrem Ruhestand sagen.
Nein, sie wird es zwitschern, sie wird es laut singen und dazu ihren Namen tanzen.
Selbst nach Jahrzehnten steht so ein Baum noch mickrig da und auch die verwegenste Promenadenmischung, verweigert hier das Wasserlassen.
Die Wolke aus purer Ignoranz und Flegelhaftigkeit zieht wie Blütenstaub die Straße entlang und sucht sich den nächsten Laden, wobei es keine Rolle spielt, ob dieser schon geöffnet hat.
Es sind noch gute fünf Minuten bis Emmas Pforten sich öffnen und hinter den Kulissen wird hektisch das große Ereignis vorbereitet.
Kunden gehen ja im Allgemeinen davon aus, dass die Minuten vor Ladenöffnung reine Schikane sind. Eigentlich sind Verkäuferinnen ja schon seit Stunden im Haus und stehen kichernd und Kaffe schlürfenden hinter der verdunkelten Theke und drehen den ersten Pfannkuchengesichtern eine lange Nase. Dienstleistende würden niemals, auch nur eine Sekunde, zu früh einen Laden öffnen, um einen pünktlichen Kunden zu empfangen.
Nein, wo denken sie hin?
Es ist die Macht der kleinen Frau, die den Schlüssel hat. Und der wird erst Schlag halb neun umgedreht. Aus Prinzip und Boshaftigkeit, versteht sich.
Die zwei Stunden vor Ladenöffnung ist eine Verkäuferin nur im Laden, um sich ordentlich zu schminken und die Fingernägel zu richten. Frisches Obst und Gemüse wächst ja bekanntlich während der Nacht nach und der klägliche Rest von ein zwei Milchflaschen und einem Laib Brot, ist ja schließlich schnell eingeräumt.
Emma kann Pfannkuchengesichter nicht ausstehen. Sie pressen ihre Visage so stark gegen die Scheibe der Eingangstür, dass sie nur noch schwer als menschliche Wesen zu identifizieren sind. So spähen sie in den dunklen Laden um etwas Lebendiges zu entdecken, das man noch vor dem ganzen Trubel etwas nerven kann. In den Wintermonaten, wenn es draußen noch dunkel ist, kann einen ein solcher Anblick zu Tode erstarren lassen.
Emma stellt grundsätzlich Rollwagen mit den leeren Kartons von innen an die Türen, damit eindeutig ersichtlich ist, dass es hier noch kein Reinkommen gibt.
Der Laden ist noch dunkel, die Tür ist mit Kartons verrammelt und die Uhr schlägt noch nicht halb Neun.
Mit massivem Druck und enormer Kraft schiebt sich die Tür gerade so weit auf, dass ein schmaler, bebrillter Kopf gerade bis zu den Ohren durchpasst:
„Haaaben sie schon geööffnet?“ kreischt es verdächtig biologisch durchs Ladendunkel. Es ist eine Müslikandidaten, die anscheinend noch weiß was Revolution heißt.
„Nein, SIE haben geöffnet!“ Das ist Emma, die weiß wie man einen Putsch verhindert.
„Bitte gedulden sie sich noch ein paar Minuten, wir sind gleich so weit.“
„Kein Problem. Ich dachte nur ich frag mal nach.“
Ich dachte nur… Was dachte die Spargelnixe? Dachte sie wir verbarrikadieren uns vor dem Pöbel und machen hier eine spirituelle Hanf-Session?
Die Tür fällt zurück ins Schloss und Emma kann sich das Kichern nicht verkneifen, als sich die Henna-Pracht zum einen Teil draußen, zum anderen Teil drinnen befindet.
„Oh, Sorry, meine Haare.“
Platanentage fangen genau so an und Emma holt noch einmal tief Luft, bevor die eigentliche Plage beginnt.
Wortlos treten Menschen ein, die mit den Worten „Guten Morgen“ ein ernsthaftes Problem zu haben scheinen. Ja, manche sind sichtlich empört über diese plumpe Anmache:
„Grüßen freundlich und am Ende knöpfen sie mir mein Geld ab.“
„Die sollen mal schön grüßen, dafür werden sie ja bezahlt. Ich nicht.“
Wie Leuchtbänder ziehen solche und ähnliche Sätze, gut lesbar durch den Raum.
Wie groß so ein Einkauf wird, weiß kein Mensch im Voraus. Das ist klar. Drum nimmt man vorsichtshalber ein kleines Körbchen anstatt den großen Wagen, für den man bei Emma nicht einmal einen Euro braucht.
Das elegante Gitter mit Tragegriff ist so herrlich unpraktisch und ständig im Weg wenn man ins Regal greifen will. Schließlich braucht man beide Hände um die es in den Cornflakes Tüten richtig krachen zu lassen.
Also stellt die liebenswerte Kundin das Körbchen einfach immer wieder ab. Logisch.
Damit es am Wegesrand nicht völlig undekorativ rum steht, stellt es die Frau mit Sinn fürs Wohnliche, unter Berücksichtigung aller Regeln des Feng Shui, mitten in den Weg.
Vorzugsweise am Anfang einer Regalreihe, damit kein Eindringling unbemerkt das Revier betreten kann.
Diese Methode wird sofort von den Anderen übernommen. Es scheint schick und einfach zickig und hipp zu sein, wenn man herablassend einen Stolpernden von oben bis unten anschauen kann und ein „Pass halt auf du Trampel“, gar nicht mehr aussprechen muss.
„Entschuldigung, ich hab das hier wohl unpassend abgestellt“, ist und bleibt ein absolutes Zeichen von Schwäche und wir tunlichst vermieden.
So kommt es an diesen Tagen vor, dass Emma wie ein Storch durch den Laden stapft. Wenn sie in guter Form ist, bleibt sie auch nur an jedem dritten, hoch stehenden Griff mit dem Fuß hängen und spürt nach einer Stunde auch keinen Schmerz mehr im Knöchelbereich.
Die absolute Krönung erfolgt dann an der Kasse.
Der völlig überladene Korb wird mit einem Blick der Verachtung aufs Band gewuchtet.
Ja, Kassen werden grundsätzlich aus Boshaftigkeit so hoch gebaut. Es soll dem Kunden richtig die Schweißperlen auf die Stirn treiben. Er soll überlegen ob er Reißen oder Stemmen soll. Und diese ganze fiese Sache hat die Verkäuferin, die bequem auf ihrem Stühlchen sitzt, unter Kontrolle:
Sie betätigt mit dem Fuß, unter der Kasse eine hydraulische Pumpe, die den Kassentisch immer noch ein Stückchen anhebt.
Diese Unverschämtheit wird bestraft, schließlich ist der Kunde König.
Ein halber Kubikmeter Ware lauert zusammen gestaucht hinter Gittern.
Und da lauert er.
Er wartet und lauert.
Noch immer wartet er.
Die Königin ist erschöpft und blickt auf den Korb.
Emma ist erstaunt und blickt auf den Korb.
Die Königin ist empört und blickt auf Emma.
Emma ist verwundert und blickt zur Königin auf und dann auf den Korb.
Die Königin verschränkt die Arme vor der stolzen Brust und blickt auf den Korb und dann auf Emma.
Vielleicht soll Emma den Inhalt einfach Schätzen, oder durch ihre Röntgenmaschine schleusen. Eventuell sollte sie jetzt sagen, dass das Körbchen heut aufs Haus geht und fragen ob sie es der Meisterin zum Gespann tragen soll.
Die Schlange an der Kasse wächst und wird heute ihrem Namen gerecht werden, indem sie gut beobachtet um anschließend den Ablauf der Prozedur, genauestens einzuhalten.
Die Königin gewinnt:
Emma zupft und zerrt die Tütchen und Schächtelchen aus dem Körbchen. Vor Wut könnte sie die Königin, mindestens eine Stunde lang, nach Sonnenuntergang, in den adeligen Hintern treten. Doch da hätte die Gewerkschaft der Könige was einzuwenden.
Ist der Korb dann endlich ausgeräumt, kann Emma anfangen die Waren zu scannen.
Dieser Vorgang wird von der Königin genau überwacht, was es ihr natürlich nicht möglich macht, bereits registrierte Ware einzupacken oder ans Ende der Kasse zu schieben.
Nein, da bleiben Majestät eisern. Die adelige Position wird nicht verändert.
Für Emma ist es ein heikler Moment der Dame vorsichtig beizubringen, dass sie für die Schätze, die sie eben eingesammelt hat, Golddukaten aus ihrem Beutel zaubern muss.
Es ist absolut erstaunlich wie irritiert Kunden sein können, wenn sie erfahren, dass das alles richtiges Geld kostet. Dann fällt ihnen ein, dass sie mal über ein Portemonnaie verfügt haben. Aber wo ist dieses Teil, war es aus Leder oder war es doch der kleine schwarze Koffer?
Es kann verdammt lang dauern, bis diese Gedankeschleife zu Ende gedacht ist.
Zögerlich bezahlt Madame und schaut völlig ratlos auf den Haufen Waren vor sich.
„Hätten sie vielleicht `ne Tüüüte?“
„Ja, Platanen-Königin. ICH hab ´ne Tüte. Ich habe sogar ganz viele Tüten. Sie etwa nicht?“
Das wird Emma am letzten Platanentag vor ihrem Ruhestand sagen.
Nein, sie wird es zwitschern, sie wird es laut singen und dazu ihren Namen tanzen.
Tante Emma rechnet ab - 8. Mai, 18:25
Der Titel hat mich gewarnt