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Samstag, 15. April 2006

Ganz in Weiß

Nichts ist reiner und unschuldiger, als Emmas strahlend weißer Kittel an einem Montagmorgen. Frisch gestärkt und so unglaublich faltenlos, wie es sich eine Frau nur wünschen kann. Ja, es ist ein besonderer Moment, wenn Emma sich morgens, kurz bevor die Pforten des Grauen sich öffnen, in ihr weißes Tuch wirft, um mit ihrem besten Kollegen, den eine polierte Glatze und funkelndes Silber im Ohr schmückt, um die Wette zu strahlen.
Dann ist nämlich jeder Groll und die Schmach der letzten Woche in den Tiefen des Vergessens versunken, und sie schreitet leichtfüßig dem Elend des Tages entgegen. Üblicherweise zeigt sich dieses, sichtlich durch achtundvierzig Stunden Pause gestärkt, schon in der ersten Stunde der jungfräulichen Arbeitswoche.
Wussten Sie eigentlich, dass der Genuss von Rote Beete Saft zu schlimmen Muskelschwund führt? Und Karottensaft das Kurzzeitgedächtnis negativ beeinflusst?
Anders ist es nicht zu erklären, warum es Menschen nach einer Roten-Rüben-Orgie nicht mehr gelingt, den Deckel wieder fest auf den Flaschenhals zu schrauben oder schon beim Verzehr geringer Mengen milchsauer vergorenem Möhrenelexier, total vergessen, dass es einmal einen Verschluss für die Karaffe gab.
Vielleicht wären diese Leiden durch mehrstündiges Ausharren an der Leergutrücknahme zu heilen. Aber diese Therapieform wird von keiner Kasse bezahlt und so wird es weiterhin hunderte von Kunden geben, die unter dieser degenerativen Krankheit leiden.
Schon der erste Stoffbeutel, der laut klappernd herübergereicht wird, ist mit seinem auffallenden ACE-Design eine Gefahr für Emmas weiße Unschuld. Dieser, einst chamois gefärbte Beutel, zeigt die deutlichen Spuren von vitaminreichen und Stoffwechsel aktivierenden Getränken und versprüht den Duft einer überreifen Obstplantage. Der Kunde wird sich hüten die Flaschen selbst aus der Tasche zu nehmen und reicht das Elend mit vornehmer Geste an Emma weiter.
Weißt Emmas Unterarm kurz danach das erste tiefrote Rinnsal auf, zeigt sich die geübte Kundin bestürzt und erkundigt sich besorgt danach, ob Emma denn verletzt sei.
Beruhigt, dass es sich nur um hundertdreißig Milliliter Rübenblut handelt, das mittlerweile im gestärkten Ärmelstoff versickert, wird der Blick dezent über die Schulter geworfen, um zu erkunden ob sie jemand als schlechte Hausfrau und Mutter entlarven könnte.
Ist der Rücken frei von unliebsamen Anstandsspionen, zeichnet sich eine elegante, von der Situation brüskierte Mine auf dem Kundengesicht ab, die sagen möchte:
„Wenn man auch so ungeschickt ist…“
Es gibt Tage, an denen Emma nach zwei Stunden, wie ein wandelnder Baumwollbeutel daher kommt und sich merklich unwohl fühlt, weil sie weiß, dass den meisten das Kunstverständnis für Batikarbeiten am lebenden Objekt fehlt, ob nun biologisch dynamisch oder konventionell, spielt dabei keine Rolle.
Bodypaintig ist voll angesagt aber Kittelart ist und bleibt Trash.
Viel praktischer wären wohl Overalls mit floralem Citrusdruck, kombiniert mit kniehohen Gummistiefeln aus Naturkautschuk. Zur perfekten Hygienesicherung könnte man lässig ein neongelbes Zitronennetz auf dem Kopf tragen, dann käme das Tatoo auf der Stirn: „ich bin ungeschickt“ auch gleich viel besser zur Geltung.

Ein Hauch von Casablanca

Er betrat den Laden, und Emma war in Sekundenschnelle gefangen, dieser Gang, dieser Duft und diese sportliche Eleganz, mit der er den Wagen aus der Reihe löste. Eine göttliche Mischung aus Brad Pitt und George Clooney, hatte den Weg zu Emma gefunden und sie spürte sofort, dass dies kein Zufall sein sollte. Jetzt kam also der Moment, den die Tarotkarten prophezeiten, als sie sich bei der Schulze – Delitzsch wieder mal über ihre Zukunft informierte.
Das Erscheinen dieses Mannes, würde für Emma nicht ohne Folgen bleiben. Und sie sollte Recht behalten.
Der feinen Note aus Amber und Moos, konnte Emma nicht widerstehen und begann wie eine Stalkerin, George Pitt unauffällig zu folgen. Jetzt war sie froh über ihre Position, die es ihr erlaubte, in jedem Gang aufzutauchen, ohne verdächtigt zu werden, sie würde jemanden verfolgen. Sie rückte Nudelpackete zurecht, schob Preisschilder planlos von links nach rechts und hatte immer die beste Aussicht. Er hatte sie schon lange bemerkt und lächelte ihr verwegen zu. Er packte gekonnt die feinsten Zutaten in seinen Wagen. Alles nur vom Feinsten und perfekt auf einander abgestimmt.
Beim besten Basmatireis stand Emma Rücken an Rücken mit ihm. Er wählte den Reis und sie sortierte Trockenpflaumen im Regal hinter ihm.
„Ich weiß, es mag dreist erscheinen, aber ich möchte heute Abend für sie kochen.“
Diese Stimme. Emma schnappte nach Luft und brachte keinen Ton heraus und blieb, ungläubig dieser Offerte, wie angewurzelt stehen.
Fast lautlos bewegte er sich und ging weiter. Emma hätte sich ohrfeigen können, dass sie nicht schnell genug reagierte, und so stand sie völlig verdutzt in Amber und Moos gehüllt da, während ihr die Freude rote Wangen malte.
Am Weinregal fand sie ihn dann wieder. Er sah sie von der Weite schon herannahen, grinste schelmisch und zwinkerte ihr zu, um dann seine Aufmerksamkeit den edlen Flaschen vor sich zu schenken. Emma faste ihren ganzen Mut und ging, anders als es Verkäuferinnen tun, auf ihn zu.
„Hmmm, wäre Ihnen ein trockener Weißwein denn recht?“ Er griff nach der teuersten Flasche im Regal und begutachtete das Etikett mit dem Blick eines Kenners.
„Eine gute Wahl“ säuselte Emma. „Aber dieser hier würde noch besser zu diesem Ragout Fin passen, dessen exquisite Zutaten hier im Wagen auf ihre gekonnte Zubereitung warten.“

Emma griff mit einer beinahe lasziven Bewegung nach einem der schlanken Flaschenhälse und offerierte Brad Clooney das Exemplar. Dabei verstand sie es gekonnt ihre Fingerspitzen zu verbergen, damit ihm die Spuren des Rotkohlschälens verborgen blieben.
Er drehte sich zu Emma hin und hob den Blick vom Etikett, um ihr nun ins Antlitz zu schauen.
Emma stockte der Atem. Ihr gesamter Blutvorrat drohte sich jetzt in ihren Beinen zu sammeln und sie starrte nur noch auf diese eine Stelle an seinen wohlgeformten Ohren, währen ihre Schuhe zu platzen drohten.
Ein kleiner schwarzer Knubbel steckte in seinem Ohr.
„Nein, vergessen sie den Weißwein. Die freundliche Dame hier hat mir eben einen genialen Tipp gegeben. Lassen sie sich überraschen. Also bis heute Abend, ich freu mich.“
Seine Hand glitt in die Innentasche seines Mantels, wo er sein Handy ausknipste.
„Ich danke ihnen, sie sind außerordentlich aufmerksam und haben einen sehr guten Geschmack.“

Damals brauchte Emma einige Tage um ihr Selbstbewusstsein wieder auf ein vernünftiges Level zu bringen und vermeidet noch heute jeden Film in dem Brad oder George zugegen sind.
Ja, moderne Kommunikation ist eben eine prima Sache und es gibt keinen besseren Einkaufsberater als das Handy.
Wirft Emma den Blick in die Zukunft, sieht sie sich mit einem Headset auf dem Kopf, bequem in einem Sessel lehnend. Vom „Point of Information“ aus, dirigiert sie ihre Kunden durch den Laden und gibt Auskunft über die Bissfestigkeit von Weizengrießnudeln. Alternativangebote werden flott per MMS weitergeleitet und jeder erhält Emmas Kurzwahlnummer am Eingang.
„Bitte drücken sie die Fünf, um ihre Beschwerde bei der Filialleitung einzureichen.“
„Bitte wählen sie die Drei, wenn sie mehr über das Allergierisiko von EU-Bananen erfahren möchten.“
„Wenn sie mit ihrem Einkauf zufrieden sind, erwartet sie Emma an der Kasse, dazu geben sie „Cash“ in ihren Navigator ein. Sie werden dann auf dem kürzesten Weg sicher dort angelangen.“
„Drücken sie bitte „Raute 0“ um eine stabile Einkauftasche aus Recyclingpapier zu ordern bzw. „Raute 01“, wenn sie eine Plastiktüte wünschen.“

Leider verlassen sich heute schon viele Kunden auf ihren geliebten Hosentaschenfunk. Seit der Clooney-Affäre ist Emma jedoch sensibilisiert und erkennt sofort, dass es sich nicht um eine hässliche Narbe im Gesicht des Kunden handelt, sondern um das zierliche Käbelchen, welches von der linken Jackentasche zum rechten Ohr verlegt ist.
Das beruhigt Emma dann ungemein, und sie tappt nicht völlig ahnungslos in peinliche Situationen:
„Sag mal Schatz, welche Linsen soll ich denn nehmen?“
„Gut Pummelchen, dann die Böhnchen, du weiß schon wegen den Tönchen.“
Emma hat mittlerweile auch die Gestensprache gelernt. Damit fordert Emma wild fuchtelnd den zu zahlenden Betrag eines telefonierenden Kunden ein, weißt ihn auf Sonderangebote hin und fragt nach, ob es sonst noch was sein darf. Es mag für Außenstehende befremdlich erscheinen, wenn sie Hieroglyphen in die Luft malt, lautlos die Lippen bewegt als wäre sie eine Kassequalle und zum Abschied so fest mit dem Kopf nickt, dass man die Wirbel knacken hört. Aber sicher ist sicher und manchmal schadet es so Ganz und Gar nicht, auf ein herkömmliches Kundengespräch zu verzichten.

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Hallo, Tante Emma, die Hoffnung stirbt zuletzt. Nach...
Miko (Gast) - 19. Jul, 09:02
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Hallo Tante Emma, wir denken immer noch gerne an Sie....
Kermit (Gast) - 10. Jun, 21:08
Drüben
Meine dunkle Seite Ich war schon oft dort Weiß Welchen...
Jemand (Gast) - 22. Apr, 23:49
und wieder mal
habe ich mir die Geschichten durchgelesen, nur um festzustellen,...
tweety-one (Gast) - 19. Feb, 23:53
Büttebütte
Das letzte Mal haben wir von Tante Emma am 28.12.2008...
Miko (Gast) - 4. Mai, 09:24

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