Der Pollen-Willi
Emmas treuester Kunde ist wohl der ganz normale Wahnsinn. So erscheint er tagtäglich, mit nahezu stündlich wechselnden äußeren Erkennungsmerkmalen, in ihren kaloriengeschwängerten Hallen.
Mittlerweile hat sich Emma zwar an die Eigenarten vieler Kunden gewöhnt und wundert sich nur noch selten über so manch erstaunliches Einkaufsverhalten, doch wenn sie am Abend die wehen Füße in eine Schüssel mit prickelndem Latschenkieferwasser stellt, taucht in ihren Gedanken immer wieder ein Namenloser Irrer auf.
Namenlos, ja es ist wirklich so, dass die merkwürdigsten Kunden immer namenlos bleiben. Emma und ihre Kolleginnen sind ständig bemüht sich Nachnamen zu merken, um die Kundschaft auch ja standesgemäß begrüßen zu können. Das kommt prima an, denn nichts hört ein Kunde so gerne wie seinen eigenen Namen. Das richtige Müller oder Schulze zum rechten Zeitpunkt, steigert den Umsatz um mindestens eine Kondensmilch oder gar eine Packung Spültaps mit Kristallklar-Formel.
Doch die etwas Kauzigen, die sich meist in leichter geistiger Schräglage befinden, scheinen in der Tat keinen Namen zu haben, oder verbergen ihn, weil er möglicherweise ebenso wunderlich ist, wie sie selbst.
So kommt es, dass Emma die Wunderlichen einfach selbst tauft. Dann schnippt sie unbemerkt etwas Weizengrieß auf die Schultern des Schrägen und murmelt in Gedanken: “ Hiermit taufe ich dich Kraft meines Amtes auf den Namen XY. Ich werde dich trotz deines gefiederten Geistes, als guten Kunden schätzen und ehren und gelobe, nur an Sonn -und Feiertagen über deine Macke zu lachen.“
Wenn Emma gerade keinen Weizengrieß zur Hand hat, tut es auch Polenta oder Roggenmehl. Irgendeine aufgeplatzte Tüte gibt es schließlich immer.
Bei „Pollen-Willi“ ging die Sache beinahe schief, da Emma nur eine Tüte Haferflocken oder Buchstabennudeln zur Verfügung hatte. So schnippte sie hinter seinem Rücken vorsichtig mit einem kleinen p und einem abgebrochenen w, wobei das p ganz leicht sein linkes Ohr schrammte und sich in einer Falte von Willis Halstuch verfing.
Pollen-Willi, kommt einmal die Woche und seit einem guten Jahr kauft er jedes Mal drei Gläser Orangenblüten-Honig. Auch wenn er noch andere Sachen kauft - der Honig ist Standard.
Sind im Regal nur noch wenige Exemplare des süßen Klebers, wendet er sich besorgt an Emma:“ Sie bekommen schon wieder den Orangenblütenhonig? Es sind jetzt nur noch zwei im Regal.“
„Selbstverständlich, keine Sorge. Wir bekommen die Lieferung regelmäßig.“, beruhigt ihn Emma dann und ist immer sehr bemüht, dass Willis Regal gut gefüllt bleibt.
„Pollen-Willi“ kommt meist mit einem alten klapprigen Fahrrad auf dessen Gepäckträger immer ein leerer Weinkarton fest verzurrt ist. Gibt der Karton nach einigen Wochen langsam den Geist auf und wird unstabil, muss Emma einen neuen parat haben. Willi besteht dabei immer auf ein und denselben. Es muss genau dieser Karton sein - ein Zwölferkarton Weißherbst. Auch wenn andere Kartons dasselbe Format haben und auf Willis Gepäckträger passen würden, lehnt er jede andere Schachtel kategorisch ab. Meist meldet er seinen Bedarf eines neuen schon ein oder zwei Besuche vorher an, damit Emma genügend Zeit hat, das begehrte Exemplar für Willi beiseite zu stellen.
Willi trägt auch bei zweiunddreißig Grad im Schatten ein weißes Sweatshirt mit langen Ärmeln und ein Halstuch. Dann sind seine wenigen Haare nass geschwitzt und sein Schnauzer tropft. Ab fünfunddreißig Grad, trägt er dann allerdings eine kurze Hose zum warmen Sweater und fühlt sich sichtlich wohler.
Gemüse steht neben dem obligatorischen Honig auch immer auf Willis Einkaufsliste.
Damit er seine Wahl treffen kann, folgt er jedoch immer dem selben Ritual. Er dreht und wendet jedes Teil mehrmals, schaut auf das Schild, welches an jeder Gemüsekiste steckt und den Kunden über Preis und Herkunft informiert, und stellt Emma immer die gleiche Frage:“ Woher kommt das hier?“
Emma geht zu Willi und schaut gemeinsam mit ihm auf das Etikett und verkündet ihm das Herkunftsland. Dann greift er beherzt zu, geht zum nächsten Grünzeugs und startet seine Routine von Neuem.
Natürlich ist es für Kunden von Interesse ob ein Gurke in Italien, Spanien oder in der Pfalz das Licht der Welt erblickte, und so manch einer verwahrt sich verständlicher Weise gegen den Verzehr einer Tomate aus Holland, aber Willi hat noch niemals etwas auf Grund seiner Herkunft abgelehnt. Er stört sich nicht an französischem Salat oder Ägyptischen Salatkartoffeln, er will wahrscheinlich einfach nur wissen welche Sprache die Vitamine sprechen. Er würde selbst Karotten eines klingonischen Biobauern eine Chance geben.
Ja, Pollen-Willi ist weltoffen, ein kulinarischer Kosmopolit, auch wenn er sich vorwiegend von Orangeblütenhonig ernährt. Wie kann ein Mensch drei Pfund Honig in der Woche verzehren ohne dass er anfängt zu brummen oder überall kleben bleibt? Warum klebt Willi jedes Gemüseetikett aus der Wage sorgsam auf ein Stück Papier, faltet es klitzeklein und verstaut es in dem kleinsten Geldbeutel den Emma je gesehen hat?
Wenn Willi mit einem Schein bezahlt, dauert es oft mehrere Minuten bis der völlig entfaltet ist. Ordentlich und in exakt der gleichen Größe stecken mehrere Geldscheine in Willis Börschen.
Wohnt „Pollen-Willi“ in einer winzigen Einzimmer-Wabe? Die hingebungsvolle Art, mit der er die Gemüseetiketten aufs Papier klebt, deutet auf jeden Fall darauf hin, dass er alles mag, das klebt und womöglich braucht er den Honig um seinen leeren Weinkarton aufs Fahrrad zu kleben.
Das sind Fragen, die für Emma wohl immer ungeklärt bleiben werden und das mag sie trotz aller Neugier sehr. Sie mag es, die Menschen so zu nehmen, wie sie sind, sich Geschichten um ihre Wunderlichkeiten zu spinnen und darüber zu schmunzeln. Das tut sie mit Pollen-Willi und Buttermelk-Betty, genauso wie mit „Akrobat Schööön“, Charly Brown, dem Herrn Seidenraupe, der Glutamat-Lotte und Frau Wühlmaus.
Aber das ist eine andere Geschichte…
Mittlerweile hat sich Emma zwar an die Eigenarten vieler Kunden gewöhnt und wundert sich nur noch selten über so manch erstaunliches Einkaufsverhalten, doch wenn sie am Abend die wehen Füße in eine Schüssel mit prickelndem Latschenkieferwasser stellt, taucht in ihren Gedanken immer wieder ein Namenloser Irrer auf.
Namenlos, ja es ist wirklich so, dass die merkwürdigsten Kunden immer namenlos bleiben. Emma und ihre Kolleginnen sind ständig bemüht sich Nachnamen zu merken, um die Kundschaft auch ja standesgemäß begrüßen zu können. Das kommt prima an, denn nichts hört ein Kunde so gerne wie seinen eigenen Namen. Das richtige Müller oder Schulze zum rechten Zeitpunkt, steigert den Umsatz um mindestens eine Kondensmilch oder gar eine Packung Spültaps mit Kristallklar-Formel.
Doch die etwas Kauzigen, die sich meist in leichter geistiger Schräglage befinden, scheinen in der Tat keinen Namen zu haben, oder verbergen ihn, weil er möglicherweise ebenso wunderlich ist, wie sie selbst.
So kommt es, dass Emma die Wunderlichen einfach selbst tauft. Dann schnippt sie unbemerkt etwas Weizengrieß auf die Schultern des Schrägen und murmelt in Gedanken: “ Hiermit taufe ich dich Kraft meines Amtes auf den Namen XY. Ich werde dich trotz deines gefiederten Geistes, als guten Kunden schätzen und ehren und gelobe, nur an Sonn -und Feiertagen über deine Macke zu lachen.“
Wenn Emma gerade keinen Weizengrieß zur Hand hat, tut es auch Polenta oder Roggenmehl. Irgendeine aufgeplatzte Tüte gibt es schließlich immer.
Bei „Pollen-Willi“ ging die Sache beinahe schief, da Emma nur eine Tüte Haferflocken oder Buchstabennudeln zur Verfügung hatte. So schnippte sie hinter seinem Rücken vorsichtig mit einem kleinen p und einem abgebrochenen w, wobei das p ganz leicht sein linkes Ohr schrammte und sich in einer Falte von Willis Halstuch verfing.
Pollen-Willi, kommt einmal die Woche und seit einem guten Jahr kauft er jedes Mal drei Gläser Orangenblüten-Honig. Auch wenn er noch andere Sachen kauft - der Honig ist Standard.
Sind im Regal nur noch wenige Exemplare des süßen Klebers, wendet er sich besorgt an Emma:“ Sie bekommen schon wieder den Orangenblütenhonig? Es sind jetzt nur noch zwei im Regal.“
„Selbstverständlich, keine Sorge. Wir bekommen die Lieferung regelmäßig.“, beruhigt ihn Emma dann und ist immer sehr bemüht, dass Willis Regal gut gefüllt bleibt.
„Pollen-Willi“ kommt meist mit einem alten klapprigen Fahrrad auf dessen Gepäckträger immer ein leerer Weinkarton fest verzurrt ist. Gibt der Karton nach einigen Wochen langsam den Geist auf und wird unstabil, muss Emma einen neuen parat haben. Willi besteht dabei immer auf ein und denselben. Es muss genau dieser Karton sein - ein Zwölferkarton Weißherbst. Auch wenn andere Kartons dasselbe Format haben und auf Willis Gepäckträger passen würden, lehnt er jede andere Schachtel kategorisch ab. Meist meldet er seinen Bedarf eines neuen schon ein oder zwei Besuche vorher an, damit Emma genügend Zeit hat, das begehrte Exemplar für Willi beiseite zu stellen.
Willi trägt auch bei zweiunddreißig Grad im Schatten ein weißes Sweatshirt mit langen Ärmeln und ein Halstuch. Dann sind seine wenigen Haare nass geschwitzt und sein Schnauzer tropft. Ab fünfunddreißig Grad, trägt er dann allerdings eine kurze Hose zum warmen Sweater und fühlt sich sichtlich wohler.
Gemüse steht neben dem obligatorischen Honig auch immer auf Willis Einkaufsliste.
Damit er seine Wahl treffen kann, folgt er jedoch immer dem selben Ritual. Er dreht und wendet jedes Teil mehrmals, schaut auf das Schild, welches an jeder Gemüsekiste steckt und den Kunden über Preis und Herkunft informiert, und stellt Emma immer die gleiche Frage:“ Woher kommt das hier?“
Emma geht zu Willi und schaut gemeinsam mit ihm auf das Etikett und verkündet ihm das Herkunftsland. Dann greift er beherzt zu, geht zum nächsten Grünzeugs und startet seine Routine von Neuem.
Natürlich ist es für Kunden von Interesse ob ein Gurke in Italien, Spanien oder in der Pfalz das Licht der Welt erblickte, und so manch einer verwahrt sich verständlicher Weise gegen den Verzehr einer Tomate aus Holland, aber Willi hat noch niemals etwas auf Grund seiner Herkunft abgelehnt. Er stört sich nicht an französischem Salat oder Ägyptischen Salatkartoffeln, er will wahrscheinlich einfach nur wissen welche Sprache die Vitamine sprechen. Er würde selbst Karotten eines klingonischen Biobauern eine Chance geben.
Ja, Pollen-Willi ist weltoffen, ein kulinarischer Kosmopolit, auch wenn er sich vorwiegend von Orangeblütenhonig ernährt. Wie kann ein Mensch drei Pfund Honig in der Woche verzehren ohne dass er anfängt zu brummen oder überall kleben bleibt? Warum klebt Willi jedes Gemüseetikett aus der Wage sorgsam auf ein Stück Papier, faltet es klitzeklein und verstaut es in dem kleinsten Geldbeutel den Emma je gesehen hat?
Wenn Willi mit einem Schein bezahlt, dauert es oft mehrere Minuten bis der völlig entfaltet ist. Ordentlich und in exakt der gleichen Größe stecken mehrere Geldscheine in Willis Börschen.
Wohnt „Pollen-Willi“ in einer winzigen Einzimmer-Wabe? Die hingebungsvolle Art, mit der er die Gemüseetiketten aufs Papier klebt, deutet auf jeden Fall darauf hin, dass er alles mag, das klebt und womöglich braucht er den Honig um seinen leeren Weinkarton aufs Fahrrad zu kleben.
Das sind Fragen, die für Emma wohl immer ungeklärt bleiben werden und das mag sie trotz aller Neugier sehr. Sie mag es, die Menschen so zu nehmen, wie sie sind, sich Geschichten um ihre Wunderlichkeiten zu spinnen und darüber zu schmunzeln. Das tut sie mit Pollen-Willi und Buttermelk-Betty, genauso wie mit „Akrobat Schööön“, Charly Brown, dem Herrn Seidenraupe, der Glutamat-Lotte und Frau Wühlmaus.
Aber das ist eine andere Geschichte…
Tante Emma rechnet ab - 2. Jul, 15:32