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Kasperl muss einkaufen

Eine Ehefrau jenseits der vierzig mit Verdauungsproblemen ist wohl das schlimmste was einen braven Mann heimsuchen kann. Zu dieser unumstößlichen Meinung kam Emma als ein etwas zu kurz geratener Mann mit schütterem Haar in den Laden eilte. Er hielt einen Zettel in der Hand und machte irgendwie den Eindruck, als wäre er an einer Schnitzeljagd beteiligt.

Einen Mann mittleren Alters, der mit handschriftlicher Notiz verloren hin und her hetzt, würde Emma auf der Straße fragen, ob er sich verlaufen hat und sie ihm behilflich sein kann, sein Ziel zu erreichen.
Spielt sich jedoch eine solche Szenerie in Emmas Laden ab, würde sie am liebsten Mittagspause machen oder eine Ohnmacht simulieren.

An diesem Tag, war sie schon in der Pause und ihr körperliches Wohlbefinden, aufgrund der hinter ihr liegenden „7-Tage-Körner-Kur“, hatte sie auch schon vor allen Kolleginnen gelobt. Also blieb ihr nichts anderes übrig als sich der schwierigen Lage zu stellen.
Als hilfsbereite Schülerlotsin getarnt, bot sie dem Herren ihre Hilfe an, in der Hoffnung, er suche nur den Ausgang.
„Ich suche das hier“, hielt er Emma den Zettel hin.

Es ist im Übrigen sehr auffallend dass Leute, die für jemanden etwas besorgen müssen, grundsätzlich zum Analphabeten werden. Oft drücken sie Emma nur ein Stück Papier in die Hand, welches zwischen vielen anderen Kritzeleien versteckt, das Gewünschte wie ein Geheimnis hütet.

Emma konnte das Rätsel auf der Karte des Landentdeckers schnell lösen.
„V l o r a d i g s A n t i s c h o g e “ stand in der Normschrift der Bauzeichnerzunft da.
„Ah Floradix Artischocke, suchen sie.“
„Ja, wenn´s da so steht“ knurrte Kolumbus.
„Das haben wir drüben in der Reformhausabteilung, kommen sie bitte mit.“
Er folgte Emma widerwillig und hatte etwas Mühe, mit seinen kurzen Beinen zu folgen.
„So, da haben wir Floradix Saft und hier haben wir denselben Wirkstoff als Dragee.“
Der kleine Kolumbus starrte Emma hilflos an.
„Möchten sie die Dragees oder lieber den Saft?“ erkundigte sie sich, um den Herrn aus der Ohnmacht zu befreien, die diese unglaubliche Auswahl herbeiführte.
„Was weiß ich? Das eben was da drauf steht.“ Murrte er und deutete mit dem Kopf auf den Zettel in Emmas Hand.
„Ja, da steht eben nur Floradix Artischocke, nichts weiter.
„Was möchten sie den lieber? Was ist ihnen angenehmer um es einzunehmen? Saft oder eher ein kleines Dragee?“
„Das ist mir doch egal.“
„Gut, dann empfehle ich ihnen die Dragees, die sind auch praktischer für Unterwegs.“
Sein Gesicht verdunkelte sich zunehmend und es schien ihm alles schon viel zu lange zu gehen. Nervös tappte die Schuhgröße 37 hin und her und fixierte mit finsterer Mine den Ausgang.
Fluchtverhalten, dachte Emma. Jetzt muss alles schnell gehen sonst droht die Hyperventilierung.
„Die kleine Packung oder den Vorteilspack mit hundert Stück?“
„Verdammt noch mal, wenn ich das alles wüsste, würde ich nicht hier stehen und müsste sie darum bitten. Meine Frau kauft das sonst immer. Woher soll ich das den wissen?“
Da war dem Herrn der Kragen eher geplatzt als es Emma vermutete.
„Tut mir leid, aber ich kenne ihre Frau nicht und weiß genauso wenig wie sie, was sie sonst immer nimmt.“ Versuchte Emma den Kunden, der eindeutig von seiner Frau gepiesackt wurde weil ihr ein Pups quer lag, zu besänftigen, um endlich zum Ende zu kommen.
Sie hätte es jetzt auf die Spitze treiben und die Sprache wieder auf den Saft bringen können, weil seine Frau möglicherweise immer die liquide Variante nimmt, aber weil Emma weiß, dass Männer niemals so eine gravierende Sache alleine entscheiden und lieber noch mal nachhause fahren um die Gattin zu fragen, gab Emma ihm eine kleine Packung Dragees.
„Jetzt nehmen sie einfach mal die hier mit, und wenn es das Falsche ist, tausche ich ihnen das gerne um.“
Wie in den meisten solcher Fälle, in denen es um gekörnte Brühe oder um geschroteten Pfeffer ging, kam ein paar Tage später Frau Gattin persönlich.

„Ach Frau Emma, kann ich das umtauschen. Mein Mann hat das hier mitgebracht obwohl ich ihm extra noch gesagt habe, er solle den Saft bringen.“
„Aber sicher. Ja, auf dem Zettel stand nur der Name und er wusste nicht was sie sonst immer nehmen.“
„Ach der! Wie groß muss denn die Flasche noch sein, die immer in der Küche steht, ich hab doch noch nie die Dragees genommen, das weiß der doch ganz genau. Der wollte mich nur ärgern. Dem hat es doch schon nicht gepasst, dass ich ihn geschickt habe.“

Männer haben einfach schrecklichen Respekt vor ihren Frauen und so manch einer verließ den Laden ohne eine Entscheidung zu treffen, nur um nicht mit der falschen Zahnpasta heim zukommen oder eigenverantwortlich die große Tüte Haferflocken zu nehmen.
Was geht in diesen Ehen vor sich? Werden Männer so sehr unterdrückt, dass sie sich nur mit Notizzetteln, die alle Angaben über Form und Größe einer Packung Trockenfrüchte enthalten, selbstsicher in einem Geschäft bewegen können?
Emma wird ihre Idee, zur Gründung einer Selbsthilfegruppe für unterdrückte Männerkundschaft, auf jeden Fall im Auge behalten. Ein wichtiger Schritt für gepeinigte Männer, die aus Frustration zu Narren mutieren.

Themen und Hilfestellungen gibt es genug:

Workshop – wie werde ich ein selbständiger männlicher Kunde

Wie reagiere ich, wenn ich wieder einmal das falsche Gurkenglas erwische?

Wo bekomme ich Hilfe, wenn ich nicht weiß wie groß Salatkartoffeln sein müssen?

Wie helfe ich mir selbst, wenn mir nicht mehr einfällt welche Haarfarbe meine Frau hat?

Wann sollte ich den Laden verlassen und im Auto eine Runde heulen, wenn ich nicht mehr weiß ob der Käse gerieben oder am Stück sein soll?

Wie bringe ich meine Frau dazu, mir genügend Geld mitzugeben, um auch das Alternativprodukt zu kaufen?


Anmeldungen können von ihrer Gattin an der Kasse gemacht werden.
Bolle Lehmann - 20. Apr, 18:11

Der Kerl stellt sich nur so dämlich an, damit die Alte das nächste Mal wieder selber einkaufen geht.
Und meistens klappt das ja auch.

Majoran - 21. Apr, 02:52

Pssst

nicht alle Tricks verraten.
Einmal doof angestellt, hilft fürs ganze Leben. ;)
KleineKatze - 20. Apr, 18:23

"Anmeldungen können von ihrer Gattin an der Kasse gemacht werden." So muss das sein. Wo kämen wir denn da hin, wenn Männer auch noch selbstständig denken würden? (Die können doch schon im Kindesalter nicht gleichzeitig reden und gehen.)

Brille - 20. Apr, 23:09

Ist ja auch sooo bequem für die Mamas.
Perdi - 20. Apr, 18:44

Seh'n se Frau Emma,...

deshalb hat sich meiner verabschiedet!
Er konnte diese ewigen Gewissenskonflikte nicht mehr ertragen! ;o))

(Ich hoffe, dass es im Himmel keinen Supermartkt gibt! *gg*)

Tante Emma rechnet ab - 20. Apr, 19:25

nein frau perdi, da schweben exiquisa leicht die wölcken mit häppchen vorbei, wie in der sushibar ;-)
Majoran - 21. Apr, 02:51

Wir Männer sind eben das schwache Geschlecht! Nicht wie die Frauen immer behaupten, dass das Gegenteil der Fall ist.

medienjunkie (Gast) - 21. Apr, 11:42

das ist alles nur masche um nicht mehr einkaufen gehen zu müssen. warum er emma dann zu quält weiß ich nicht, er könnte auch gleich das falsche kaufen, aber das gehört wohl zur show ;)

NB Hamburg (Gast) - 22. Apr, 08:26

Da fällt mir übrigens grade ein, meine Frau hiess EMMA. Vielleicht komme ich deshalb so gerne hierher. Sie schreiben nicht zufällig aus München, gnädige Frau?

Tante Emma rechnet ab - 23. Apr, 17:13

na so was, ganz zufällig ist das in der Tat so ;-)
FirstTimeHere (Gast) - 26. Apr, 10:00

Who´s afraid of Virginia Wolf

mehr brauch man dazu wohl nicht zu sagen.

Zeitlos (Gast) - 30. Apr, 12:34

Da kann ich Medienjunkie nur zustimmen. Meiner macht das nur, um nachher sagen zu können: "Ich geh' nie wieder einkaufen."
Da spielt aber auch eine gewisse mütterlich-anerzogenen Unwissenheit rund um die Gegebenheiten Supermarkts mit. Sie verweigern ihren männlichn Sprösslingen oftmals jegliche Kenntnisse um den Reifegrad von Tomaten oder die Qualität von T-Shirts aus Hühnerschwanz-Baumwolle-in Wasser-gewirkt.

virginia (Gast) - 7. Jan, 00:54

ignoranz

hallo,
von wegen unterdrückte männer... kaum zu hause heisst es dann: "warum schmeckt der rinderbraten so komisch?"
A: der herr der schöpfung wusste im markt nicht mehr was er holen sollte
B: rind wurde von ihm für zu teuer befunden und durch eine günstige alternative ersetzt
C: er hat nicht aufs ettiket geschaut, sah halt nach fleisch aus
männern scheint es irgendwie manchmal zu primitiv zu sein, sich mit so banalitäten wie "einkaufen" zu beschäftigen.
mein freund hat heute getränke eingekauft...
1 kasten bier, 2 flaschen wein und 4 packungen o-saft...
morgen kommt seine schwester mit ihren kindern vorbei... sie trinkt keinen alkohol und ein sohn ist auf o-saft allergisch...
nun, vermutlich hab ich dann morgen an dem zu erwartenden debakel schuld,
wie kann ich ihn nur zwingen selbstständig einkaufen zu gehen.

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Juli 2013
Hallo, Tante Emma, die Hoffnung stirbt zuletzt. Nach...
Miko (Gast) - 19. Jul, 09:02
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Hallo Tante Emma, wir denken immer noch gerne an Sie....
Kermit (Gast) - 10. Jun, 21:08
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Meine dunkle Seite Ich war schon oft dort Weiß Welchen...
Jemand (Gast) - 22. Apr, 23:49
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tweety-one (Gast) - 19. Feb, 23:53
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Miko (Gast) - 4. Mai, 09:24

Was darf's denn sein?

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Letzte Abrechnung: 8. Jan, 14:33

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