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Mittwoch, 5. April 2006

Heiße Ware

Ganz gleich auf welcher sozialen Ebene sich der Mensch befindet und unabhängig davon wie groß sein Intellekt ist, er bleibt immer Opfer seiner tiefsten Instinkte.
Eine gute Verkäuferin weiß das natürlich und lernt, dass sie mit dieser Tatsache leben muss. Früher glaubte Emma fest daran, dass ein erwachsener Mensch weiß was er mit Sachen, die ihm nicht gehören machen darf und was nicht. Doch die Jahre lehrten sie das Gegenteil. Hatte sie am Anfang noch den Verdacht, Kinder würden mit den Fingerchen ihr Unwesen treiben, zeigte sich bald wie falsch ihre Annahme war.
Als sie das erste Mal Augenzeugin wurde, wie ein gut gekleideter, sehr wohlriechender Herr mit grau meliertem Haar, genüsslich den Finger in einer lauwarmen Rosinensemmel verschwinden ließ, dachte sie im ersten Moment an den Typen von der Lebensmittelkontrolle. Vielleicht wollte er die angepriesene Frische der Backwaren testen, vermutete Emma und unterließ es ihn anzusprechen. Der Mann stand eine ganze Weile so da, schaute verträumt in die Gegend und wärmte anscheinend nur seinen Finger.
Es stellte sich natürlich heraus, dass es sich nicht um den Kontrolleur handelte sondern um Dr. Pfeiffer, Rechtsanwalt und seit Jahren Stammkunde. Allerdings kaufte er alles nur keine Rosinenbrötchen.
Emma war erstaunt, dass ein Anwalt mit dieser Aktion, tatsächlich alle unter Verdacht stehenden Kinder und Mäuse, entlasten konnte.
Es ist eine unausgesprochene Tatsache, dass nahezu jeder Mensch ein Verpackungsfetischist ist. Die meisten Kunden wissen jedoch nichts davon und meist lässt Emma sie auch unbehelligt, pulen und grabschen.
Für diese Menschen gibt es nichts Aufregenderes als straff gespanntes Zellophan. Besonders das gefühlsechte Material, von dem eine Putenbrust umspannt ist lockt ihn an. Er tätschelt und streichelt über die Oberfläche, entlockt ihr ein zartes Quietschen und drückt behutsam mit der Fingerkuppe eine tiefe Mulde in die Haut.
Aber auch die stabilere Schwester des Zellophans ist begehrt. Stark wie die Bespannung eines Tennisschlägers umgibt sie häufig den legendären Sixpack. Hier wird das ganze Gewicht von sechsmal null Komma drei Litern, nach einem lauten Ploppen, mit einem Finger hoch gehoben und wieder abgestellt. Eine neue Palette „Radelsdorfer Schluckspecht“ ist für manchen ein Eldorado, selbst wenn er Antialkoholiker ist.
Bevorzugt sind in erster Linie alle weichen Dinge. Geschälte und gekochte rote Beete, die in Folie eingeschweißt sind, haben bei den eher hart Gesottenen einen Stein im Brett. Festes Drücken bis der erste Tropfen aus der Schweißnaht quillt, ist dann an der Tagesordnung.
Zärtlicher wird mit dem siebenhundert Milliliter Schwabbelpack Weichspüler umgegangen. Diese Beutel mit neckischem kleinen Schnäuzchen sind absolut robuste Spielkameraden.
Sehr beliebt ist auch Toilettenpapier. Produktdesigner haben hier wirklich ein wahres Meisterwerk vollbracht. Die Papierrollen sind so angeordnet, dass die Mitte einer jeden Rolle gut sichtbar unter dem hautengen Plastik zu sehen ist. Ein Hochgenuss für den Tütenfetischisten, mit Wucht und schnell aufeinander folgenden Bewegungen, in einer Sekunde so viele Löcher zu stechen wie nur irgendwie möglich. Ist er ein geübter Einlocher kommt er in die nächste Runde: Level dreilagig, dann Level vierlagig usw. Versagt er, landet er beim völlig uninteressanten feuchten Toilettenpapier und muss von vorne beginnen.
So beobachtet Emma jeden Tag mehrere Kunden beim Training und nimmt es gelassen. Nur einen Haken hat die Sache: weder Dr. Pfeiffer noch einer seiner Spielkameraden, nehmen ihr Spielzeug mit. Da sie von ihrer Neigung gar nichts wissen und sie völlig unbewusst handeln, greifen sie zu einem noch ganz jungfräulichen Objekt. Vorsichtig bringen sie es an die Kasse und achten darauf, dass es kein anderer berührt. Emma muss dann sehr behutsam mit der Ware sein und ihr Tun wird mit ängstlichen Blicken beobachtet. Dann entschwindet der Sensitive in sein stilles Kämmerlein, um dort unbeobachtet seiner Lust zu frönen.
Emma schmunzelt dann vor sich hin, weil sie weiß, dass wieder ein Pfeifferscher mehr glaubt, seine heimliche Leidenschaft wäre ein großes, verborgenes Geheimnis.

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