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Freitag, 31. März 2006

Gebete, die die Welt nicht hört

„Der Kunde ist König. Er steht im Mittelpunkt und ist das Wichtigste in einem Unternehmen. Er sichert unsere Arbeitsplätze und wir sind ihm dafür zu Dank verpflichtet, stehen ihm stets freundlich mit Rat und Tat zur Seite. Nur ein zufriedener Kunde ist ein guter Kunde, und wird uns wieder und wieder mit seinem Besuch dafür belohnen.“
Der Scheinheilige Samariter/
Psalm 007/ Vers 0815/ Kassenbuch der Konzerne




An dieser Stelle hat Emma das Morgengebet nach der biblischen Aufforderung: „Du sollst kein falsch Zeugnis reden“ etwas modifiziert.
„So lass dich in den Arsch treten, erniedrigen und zu Worten hinreißen, die dir sonst den Magen umdrehen. Sehe in jeder Lüge etwas Gutes für deinen Arbeitgeber und danke ihm dafür, dass er den Arbeitgeberbund meidet wie der Teufel das Weihwasser. Lass deine Gedanken nicht in den Widerstand gleiten. Sei tapfer und treu, erfülle dein Tagwerk, denn du hast dir diese Scheiße selbst eingebrockt - bis in den Ruhestand, der dir Armut und Not bescheren wird. Doch dein ehrenvolles Wirken für das Wohlergehen deiner Kunden und deines Chefs, wird dich mit Stolz erfüllen und du wirst deinen krummen Rücken unter Schmerzen aufrichten, deine Plattfüße werden deine durch Krampfadern marmorierten Beine zwar kaum noch tragen, aber du wirst mit Demut und mit reinem Gewissen sagen können:
Ich war gut.“
Die heilige Emma der Motivation/
Psalm 80-60-90/Vers 4711/Buch der Korinthenkacker




Dann holt Emma tief Luft und seufzt laut ein letztes Mal bis zum Kassenschluss.
Wie schön wäre es, wirklich nur für den Kunden da zu sein. Einfach nur beraten, plaudern und verkaufen. Leider hat Emma an all ihren Arbeitsplätzen dieselbe Erfahrung gemacht: Drei Viertel des Tages sind voll gepackt mit Aufgaben, die nichts mit dem Kunden zu tun haben.
Wenn der Erste den Laden betritt, ist Emma schon einmal kräftig durchgeschwitzt und reif für das zweite Frühstück, ein Nickerchen oder gleich Feierabend.
Gegen zehn Uhr geschieht es dann meist, dass ein freundlicher Stammkunde, hinter dessen Lidern noch deutlich die Heftigkeit seiner letzten Rem-Phase zu sehen ist, ein: „Guten Morgen, meine Damen, na auch schon wach?“ trällert.
Sie nickt dann nur freundlich und schaut zu, dass sie schleunigst eine Warenpalette nach der andern mit dem Lieferschein abgleicht und in die Regale verteilt. In der Zwischenzeit hat der Bezirksleiter schon 5 Mal angerufen und irgendwelche idiotischen Zahlen verlangt, Faxbestätigungen angefordert und nachgefragt wie es denn heute so läuft.
Für Emma läuft es gut wenn sie die Ware verräumt und die neuen Bestellungen erledigt hat. Prima ist, wenn alle Preisänderungen an der Ware umetikettiert sind, die neuen Angebotsschilder hängen, der Personaleinsatzplan gemacht ist, alle Reklamationen protokolliert und zur Abholung bereit sind, der Laden gewischt ist und die diversen Dekorationen für Aktionswaren erledigt sind. Jetzt fehlen nur noch die Vorbereitungen für die Kundenverkostung von scharfem Senf am Nachmittag, das Nachfüllen der Einkaufstaschen im Kassentisch, das Einlegen einer neuen Bonrolle in einen Drucker, der sich grundsätzlich weigert seine Arbeit hinterher wieder aufzunehmen.
Ach ja, natürlich muss nebenbei immer wieder das Kühlregal neu befüllt werden und der zweite Schwung frische Brötchen wartet auch schon. Nur noch schnell Schneeräumen oder bei Regen den Hof kehren, Kartonagen entsorgen und den Müll wegschaffen.
Das ist alles irgendwie machbar wenn da nicht immer was dazwischen käme. Ständig irgendwelche unnützen Unterbrechungen. So kann doch kein Mensch seine Arbeit erledigen. Jede Arbeit muss zig Mal von vorne begonnen werden.
Und das alles wegen einer stündlich wachsenden Anzahl Kunden!

"…und die Umsatzzahlen sind unser Lohn, die Kundenfrequenz spiegelt unsere Herrlichkeit, in Ewigkeit, kein Zeitvertreib, bis dass der Ladenschluss uns scheidet. Amen."

Mittwoch, 29. März 2006

Gnome des Schreckens

Weiber sind Hyänen, und Emma würde lieber mit 20 Männern arbeiten, als mit 3 hormongeplagten Artgenossinnen.
Einzeln kann man jede prima zur besten Kollegin des Tages küren, aber sind mehr als zwei im Einsatz, oder wird eine zur Hüterin der Kartonagen ernannt, dann brennt die Luft spätestens 2 Stunden nach dem ersten Seufzen der Stechuhr.
Am allerschlimmsten sind jedoch die abgebrochenen Zwerginnen im viel zu langen weißen Kittel, die schon als Kind davon geträumt haben, dass wenn sie eines Tages mal groß sind, Herrscherin über ein ganzes Königreich zu sein.
Wenn es dann aus genetischen Gründen mit dem Großwerden nie geklappt hat und sie das aristokratische Herrschaftsgebiet, aus familiären Gründen, durch eine Supermarktfiliale ersetzen, ist das der kollegiale Supergau. Solch eine Filialleiterin kann ihre Mitarbeiter in den Wahnsinn treiben. Ist so eine, nach Anerkennung lechzende Furie gleichzeitig auch noch ständig overworked and underfucked, wird es für Emma, früher oder später, brenzlig. Eine gewisse Zeit gelingt es ihr dann noch, dieses unter Unentbehrlichkeitszwang leidende Geschwür, mit dem IQ einer Pampelmuse, zu ignorieren. Halten aber die Phasen an, in denen das Tagesgeschäft dazu benutzt wird, um persönliche Unzulänglichkeiten zu verschleiern, ist Emma wieder einmal am Überlegen ob sie nicht doch lieber nach einem Job bei der Cosa Nostra nachfragen sollte. Vielleicht als Capodecina oder einfach nur Soldati, in der Abteilung „Capo morti Fressalia“.

Oder doch zum Baumwollpflücken nach Alabama?

Dienstag, 28. März 2006

Warum Paprikaschoten nicht hupen

Neulich beobachtete Emma einen Herrn, wie er minutenlang ums Gemüse herum spazierte und jede der Köstlichkeiten einer handfesten Tauglichkeitsprobe unterzog. Er quetschte hier und drückte da, presste mal fest, mal fester und testete, ob er wohl mit dem Fingernagel geheime Runenzeichen in eine Gurke schnitzen kann.
Besonders bei den roten Paprikaschoten hielt er sich lange auf. Es schien, als faszinierten sie ihn geradezu. Emma musterte den vegetabilen Fetischisten kritisch und ordnete ihn, dank ihrer psychologischen Kundenschnellanalyse, der Kategorie „Von-Mutti-Geschickt“ zu. Es handelte sich um ein Exemplar der Gattung „Ach so sieht ein Laden von innen aus“. Immer wieder erstaunlich wie diese Zeitgenossen auf Parkplätzen überleben, wo sie ungeduldig auf Mutti warten.
Emmas Proband war immer noch an den roten, knackigen Schoten zu Gange. Wieder und wieder griff er mit seinen Pratzen, die nichts von denen eines Gynäkologen hatten, außer dass er damit genauso auf fünf zählen konnte, eine Paprika, hielt sie etwas hoch und begann, sie mit pulsierenden Bewegungen zu traktieren.
Sein Gesichtausdruck erinnerte Emma an das fragende Schauen eines kleinen Jungen, der nicht verstehen kann, warum seine Fahrradhupe keinen Laut mehr von sich gibt.
Plötzlich drang ein schreckliches Geräusch an Emmas Ohr: Ein von saftigem Aufbrechen begleitendes Knacken, das ihr durch Mark und Bein ging. Der Kunde, der anscheinend ein wissenschaftlich interessierter Mensch war und herausfinden wollte, wie unterschiedlich sich die Erhöhung der Spannung auf geschlossene Fruchtstände auswirkt, tat was Emma am meisten hasste: Er meuchelte Gemüse. Jetzt gab es für sie kein Zurück mehr, nun musste sie reagieren, um vor sich selbst zu bestehen. Ihren Groll ließ sie mit den geballten Fäusten vorerst in den Kitteltaschen verschwinden und schritt mutig voran.

„Da kommt jede Hilfe zu spät.“
„Wie?“
„Nun, sie sind tot. Alle.“
„Wie tot?“
„Na ganz tot, die machen keinen Mucks mehr.“
„Die… die sehen aber doch noch so gut aus.“
„Verstehen sie doch, es sind nur noch ihre Zellwände, prall gefüllt mit Vitaminen und Mineralstoffen, aber Leben ist da keins mehr drin. Auch die da drüben, die Tomaten, der Lauch, die Zucchini. Alle miteinander, wie sie hier liegen. Da geht nichts mehr.“
„Wie meinen sie das?“
„Der Bauer hat allen gestern auf dem Acker das Licht ausgeblasen.“
„Der Bauer? Das Licht?“
„Ja, gestochen, erst ein- dann ausgegraben, abgeschnitten, rausgerissen.“
„Also…“
„Ja, aber das ist völlig okay, das ist normal.“
„Sagen sie mal, was reden sie hier eigentlich für Zeug? Wollen sie mich verarschen?“
„Nein, um Gottes Willen!“
„Was soll dann das Geschwätz?“
„Ich wollte ihnen nur sagen, dass es so gar nichts nützt, was sie hier tun.“
„Wie? Was ich hier tu?“
„Na ihre Reanimationsversuche, ich beobachte sie schon seit den Tomaten, wie sie hier Herzmassagen durchführen. Sind sie Arzt?“
„Ach, nein, lassen sie doch den Quatsch, ich wollte doch nur sicher gehen…. Schließlich muss man ja prüfen was man kauft und meine Frau hat gesagt ich soll ja aufpassen dass ich frisches…… Ach, was rede ich überhaupt mit ihnen. Unverschämtheit!“

Entrüstet stampfte der Kunde Richtung Kasse.

Bingo – feixte Emma. Tatsächlich ein „Von – Mutti – Geschickter“.
Ihre Fäuste in den Kitteltaschen lösten sich und sie klimperte leise mit ein paar Centmünzen. Dann ging sie an ihren Spind und steckte eine Münze in ein rotes Plastikschwein.
Am Ende eines Monats zählte sie die Geldstücke immer, und wenn es mehr als zehn waren, leistete sich Emma ein großes Eis mit Sahne, waren es jedoch mehr als zwanzig, machte sie sich Sorgen um ihre berufliche Zukunft.

Montag, 27. März 2006

Einfach dufte

Manchmal hat Emma die Nase gestrichen voll. Dann stinkt ihr der Job im wahrsten Sinne des Wortes. Kurz nach 8 Uhr am Morgen ist sie dazu verdammt, frisches Sauerkraut vom Fass abzufüllen. Während der Rest der Welt sich den Duft frischer Croissants durchs Riechorgan zieht, wird Emma mit der Ursache eines gut funktionierenden Verdauungstraktes konfrontiert. Frühstück war noch nie ihre Leidenschaft, außer es geschieht nach 12 Uhr Mittag, und so trifft sie die Gewalt des milchsauer vergorenen Untergrundes auf nüchternen Magen.
Aufgrund ihres erhöhten Speichelflusses, lehnt sie dann Gespräche kategorisch ab und verzichtet aus lebensmittelhygienischen Gründen sogar auf das Pfeifen des Gassenhauers der Doofen: „Nimm mich jetzt auch wenn ich stinke“. Den Titel lässt sie eigentlich grundsätzlich durch die gespitzten Lippen strömen, wenn sie das gesäuerte Fiasko später am Tage abpackt. Ein spitzbübisches Grinsen hat sie dann um die Augen und sie genießt es, die an ihr vorbeigehenden Kunden zu beobachten.
Der beste Moment, und auf den freut sich Emma immer diebisch, ist der, wenn sie mit einem lauten Ratsch den Deckel des 25 kg Eimers öffnet. Ab da sind es nur noch wenige Sekunden, bis die ersten Kundennasen Witterung aufnehmen.
Als Emma in dieser Filiale noch so frisch war wie das Kraut im Eimer, war ihr dieser Moment einfach nur peinlich. Denn eine solche Menge Sauerkraut entwickelt, unter dem fest schließenden Deckel, binnen weniger Stunden ein Aroma, welches locker und leicht mit der Luft eines Kellerraumes in der VHS mithalten kann, in dem sich regelmäßig die Selbsthilfegruppe der unter Flatulenz Leidenden trifft.
Kurz gesagt, es riecht nach Pups.
Mittlerweile hat Emma Spaß daran, die Leute an der Nase herumzuführen und zwar geradewegs ins Fettnäpfchen. Zwar sehen sie genau, was Emma gerade tut, aber den Geruch bringen nur geeichte Stammkunden damit in Verbindung. Manchmal, wenn ein geeignetes Opfer naht, tritt Emma unauffällig auf ein Stück Luftpolsterfolie, das sie vorher rein zufällig zu Boden schweben ließ. Mit verächtlichem Blick und angehaltener Luft zieht der Kandidat an Emma vorbei.
„Puh, was für ein Aroma!“, flötet sie dann freundlich und setzt dann verkaufstechnisch korrekt nach: „das etwas so Leckeres so unangenehm riecht, erstaunt doch immer wieder. Ganz frisches, knackiges Sauerkraut vom Fass! Möchten sie mal kosten?“
In aller Regel steigt jetzt verlegene Röte ins Kundenantlitz, die für Emma das Signal zur Attacke ist.
„Ach du liebe Zeit!“, lacht sie jetzt schelmisch. „ Sie dachten….also ich meine, sie haben geglaubt, dass ich….? Oh nein, wie peinlich.“
Jetzt hat sie ihn. Der Kunde ist ertappt und seine Entschuldigung folgt prompt.
„Na zum Glück hab ich sie angesprochen, sonst würden sie ja in Zukunft immer von mir denken…..aber Schwamm drüber, hier kosten sie doch mal.“
Emma reicht dem Kunden nun sein Schüsselchen Kraut, das dieser mit Sicherheit nicht ablehnen wird. Da liegt es auch gleich auf der Hand, dass ein Pfund des edlen Sauren im Einkaufswagen landet.
So steigert sie erfolgreich den Umsatz und hat einen Kunden mehr, zu dem sie ein ganz „dufte“ Verhältnis hat.
Diese Highlights des Tages nimmt Emma als Entschädigung, als Ausgleich für die Gerüche, die ihr Tag ein Tag aus beschert werden. Am schlimmsten ist es am Samstagvormittag. Gut ein Drittel der Menschen, die dann in ihren Wohlfühlklamotten den Laden entern, halten es nicht für nötig, einigermaßen zivilisiert aus dem Haus zu gehen. Schließlich gehen sie ja nur kurz zum Einkaufen, um dann wieder im heimischen Stinkbunker zu verschwinden.
Für diese Leute wäre es die reinste Duschgelverschwendung, sich am Morgen einem Reinigungsritual hinzugeben, wenn man am Abend eh frisch und poliert aus dem Haus gehen will. Also schützen sie ihre Haut vor dem schädlichen Detergentien-Missbrauch und stinken mit Addiletten beschuht durch die Gänge.
Der betont lässige Weekendlook wird natürlich mit Jogginghosen im Outdoorstil und einem locker auf den Knien sitzenden Sweater unterstrichen. Selbiger ist im Brustbereich mit einer aufwändigen Applikation des wöchentlichen Speiseplanes versehen.
Wenn Emma jetzt noch dem Traum nachhängt, einer dieser Stylisch – Shopper würde es jemals für nötig halten, seine Plaque im heimischen Badezimmer zurückzulassen, wird sie spätestens an der Kasse herb aus dem Schlummer gerissen. Sie vermeidet es dann mit aller Macht ein Gespräch zu beginnen, doch ein solcher Kunde ist schließlich bestens gelaunt und voller Freude über das gleich nach dem Einkauf beginnende Wochenende, was er nun mit einem unmusikalischen Pfeifen auch zum Ausdruck bringt.
Jetzt reicht es Emma und sie ruft das Codewort für die Pause laut durch den Laden, um eine Kollegin auf den Plan zu rufen: „ Lager 18, bitte. Lager 18, dringend!“
Sie reißt den geblümten Vorhang zum Büro auf und wettert:
„Ja, ja, mit vollem Munde spricht man nicht. Das weiß ein jedes Kind.
Aber verdammt noch mal, wie viele Mütter haben versäumt das Mundgullipfeifen zu verbieten?
Und dann auch noch diesen uralten, völlig deplazierten Schinken – Das ist die Berliner Luft…..“
Paul Lincke – heut hass ick dir !

Samstag, 25. März 2006

Zwillinge Widerwillen

Kinder sind ein Segen. Darüber lässt sich nicht streiten. Doch was ist mit ihrer Transportfähigkeit? Wie bekommt Muttern ein Frischgeschlüpftes sicher und bequem durch die Welt kutschiert?
Natürlich in einer Kinderchaise, einem Hightech - Kinderwagen, der in allen Situationen brilliert. Selbst beim Einkauf im Supermarkt.
Emma kann zwar die Not einer Mutter, nicht gleichzeitig einen Einkaufs- und Kinderwagen schieben zu können, absolut gut verstehen, aber sie hasst diese multifunktionalen, Kindertagesstätten ähnelnden Windelträgerbeförderungseinheiten. Und das nicht nur wegen ihrer Offroadbereifung, die im Gelände sicherlich eine hervorragende Performance hat, aber in ihrem Profil bequem Platz bietet, um ein Tagesgeschäft einer ausgewachsenen Dogge unterzubringen. Für Emma bedeutete diese vulkanisierte Errungenschaft des Babytransportes, den ganzen Winter über nur eins: Wischen, Wischen und noch mal Wischen.
Witterungsunabhängig ist jedoch die Tatsache, dass diese Schreihalsmobile achthunderteinundneunzig Taschen, Fächer, Klappen, Netze, Gitter und sonstige Aufbewahrungsmöglichkeiten bieten. So natürlich auch beim Gang durch den Gourmettempel von Emma. Da werden Bananen in Seitentaschen verstaut, Gute-Nacht-Brei-Gläschen verschwinden in klettverschlossenen Verdeckbeuteln, Nudelpakete versinken in latexgepolsterten, vollintegrierten Unterbaukörben und Fencheltee steckt elegant im zipverschließbaren Lenkertornister.
Was bis dahin nicht untergebracht werden konnte, landet auf der Wind- und wetterfesten, garantiert schalldichten Wagenabdeckung, also auf dem Kinderwagen. Dabei stört es kaum eine Mutter, dass darunter ja noch ein Kindlein schlummert. Muss es auch nicht, denn so ein Wagen wäre sicher auch groß genug um den Sprössling zu seiner ersten Kommunion zu kutschieren.
Emma hat oft Mitleid mit den kleinen Würmchen, die wie nach einem Lebensmittelerdbeben, verschüttet unter den Fressalien darauf warten, bis sie endlich wieder Tageslicht erblicken.
So lenkte neulich, eine im Mutterglück schwelgende junge Frau ihren Kinderwagen durch Emmas Laden. Allerdings glich die ganze Sache eher einer Fahrt über einen Hinderniss parcours. In Sachen Kurvenradius, waren wohl bei der Wagenentwicklung keine Dummys für Supermarktfahrten verfügbar.
Als die Mutter, ohne größeren Schaden anzurichten, alle Hindernisse bewältigt hatte, kam sie, Kind, Ware und Vehikel an der Kasse an. Jetzt folgte das spannende Procedere des "Warenwiederfindens", welches stimmungsvoll von den Geräuschen der verschiedenen Verschlußmöglichkeiten begleitet war. Ein Ratsch, fünf Klick, acht Zipppp und drei Raschel, konnten zum Glück das Hosenscheisserchen nicht aus dem Schlaf bringen. So landeten vermutlich alle Sachen auf dem Band vor Emma. Sie hat ein Urvertrauen in ihre Kundschaft und zweifelt recht selten an deren Ehrlichkeit. Doch bei solchen verwirrenden Lagerbedingungen, wirft sie schon mal einen flüchtigen Blick ins Wageninnere. Diese professionelle Achtsamkeit ist natürlich mit mütterlichem Instinkt getarnt, und Emma entdeckt im Innern der Chaise tatsächlich noch eine mittelgroße Sellerieknolle. Ein zweiter Blick lässt sie sichergehen, dass es sich nicht um Zwillinge handelt, die dort im Kissen schlummern.
Die Mutter seufzt echauffiert während sie das Portemonnaie schon in der Hand hält :" So ich glaube das ist alles"
Emma ist freundlich wie immer und während sie die Ware der Kundin einzeln über den Scanner zieht, deutet sie mit dem Kopf in den Kinderwagen und erwidert vorsichtig fragend:" Sellerie?"
Etwas verdutzt aber mit dem typischen Stolz einer jungen Mutter antwortet sie:"Aber nein, Vallerie, 2 Monate und 5 Tage."

Freitag, 24. März 2006

Sonst noch Fragen?

" Hamm se Apfelsaft ?"
" Ja, gleich hier drüben bei den Sä.."
"un`so Zeug was man in die Suppe macht?"
"Nudeln?"
"Ne Ne, so Dingspulver das wo ins Wasser kommt"
"Aah, sie meinen Brühe"
"ja so was in der Art"
"Da haben wir ne große Auswahl gleich hier drü.."
"Un das Brot ? Is das jeden Morgen frisch?"
"Aber selbstverstä.."
"Hmmm, aber die schönen Zitronen hier, sind die sehr sauer?"
Emma holt Lulft und rollt den Kopf im Nacken
"Nun, also, ähmm im Prinzip sind sie.... Tja es sind halt richtige Zitronen eben"
"Achso. Gut. Danke, ich komm dann mal vorbei"
Tür auf. Tür zu und weg isser.

Emma steht etwas verwundert und regungslos, wie das Pfund Kaffee im Regal, da und murmelt:
"Auf Wiedersehen, ja aber gerne doch, am besten am Dienstag da ist mein freier Tag. Tz"

Mittwoch, 22. März 2006

Fortbildung mit Fisch

Schlagfertigkeit ist eine von Emmas größten Stärken. Leider ist diese Eigenschaft beim Umgang mit Kunden nicht immer das gelbe vom Ei. Am Tag könnte sie sich manchmal mehrmals die Zunge dafür abbeißen, dass ihr die eigens dafür antrainierte und selbstentwickelte, „Kugelfischmethode“ mal wieder nicht gelungen ist.
Bei dieser Methode schnappt man sofort mindestens dreimal nach Luft, hüstelt gekonnt und glaubwürdig und simuliert eine kleine, spontan auftretende Atemnot, bevor man auch nur ein einziges Wort spricht.
Ein misslungener Einsatz dieser zwar sehr maritimen, aber nicht gerade eleganten Sprachverzögerungstaktik, eröffnete heute Emmas Tag.
Eine eindeutig von den Wechseljahren gebeutelte Schokoladenhamsterkäuferin kam im Stechschritt auf die Kasse zu, wo sie bereits von Emma erwartet wird.
10 Tafeln „Knacknuß in feinstem Schmelz“ aus dem Tagesangebot, purzeln auf das Band.
Angebotsware kann Emma nicht über den Scanner ziehen und muss nun eine 14-stellige Nummer eingeben. Mit den Gedanken im Lager, wo ein umgekippter Sauerkrauteimer auf sie wartet, vertippt sie sich gleich zweimal hintereinander. Doch schon in der nächsten Sekunde hat sie ihre Eingabe korrekt mit der Entertaste ins Umsatznirwana geschickt.
„Macht 8 Euro und 50 Cent, bitte“
Herablassend blickt die Kundin erst stumm dann hämisch wetternd :
“ Das hab ich ja im Kopf zehnmal schneller ausgerecht als sie mit ihrer Maschine hier“, auf das bereits abgezählte Geld neben dem Kassenteller.
Jetzt wäre genau der Moment für die Kugelfischtaktik gewesen, aber der lauernde Sauerkrauteimer hat Emma aus ihrem Gleichgewicht gebracht.
„Prima. Und wie viel Mehrwertsteuer haben sie herausbekommen? „
Autsch, verdammter Kugelfisch, schießt es Emma durch den Kopf.
Möglicherweise wäre die Situation noch zu retten gewesen, hätte sie wenigstens ihr schelmisches Grinsen unter Kontrolle gehabt.

Dieser Tag stand eindeutig unter dem Zeichen des Fisches.
Am Nachmittag fuhr Emma in die Stadt um an einem Produktseminar eines Nahrungsergänzungsmittelherstellers teilzunehmen. Der überhitzte und schlecht belüftete Seminarraum roch nach einer Mischung aus Hustensaft, Schwarzkümmelöl und Menthol.
Solche Termine sind immer eine willkommene Abwechslung und es gibt jede Menge Artikelmuster zum Probieren. Da wird regelmäßig gesalbt und geschluckt was das Zeug hält. Großzügig, wie solche Hersteller denen gegenüber sind, die ihre Mittelchen unters Volk bringen sollen, gibt es auch meist ein leckeres Büffet.
Heute gab es allerdings rein gar nichts was Emmas Geschmacksnerven gereizt hätte. Im Gegenteil, Fischbrötchen in allen Variationen zierten das Büffet. Will man Emma ärgern und zu hastigen Bewegungen zwingen, dann muss man ihr nur mit Rollmöpsen oder quitschrotem Kunstlachs drohen.
Mit einer Tasse schwarzem Kaffee flüchtete sie an ihren Platz, den sie sich am äußersten Ende der langen Tafel schon reserviert hatte. Da eh alle immer ganz vorne am Geschehen sitzen wollen, hatte sie gute Chancen nicht zwischen zwei Kolleginnen zu geraten, die sich unaufhörlich darüber unterhalten, was es doch für ein Martyrium ist einen passenden Stabsaugerbeutel zu kaufen.
Doch weit gefehlt. Als die Referentin gerade mit ihrer Begrüßung begann, huschte eine Teilnehmerin mit voll gepacktem Teller an der Wand entlang ganz nach hinten und setzte sich prompt neben Emma.
Dies allein wäre noch keine Katastrophe gewesen. Doch trotz der medizinisch geschwängerten Luft, zog Emma eine Duftwolke stinkenden Meeresgetiers beinahe einen Mittescheitel ins Haupthaar.
Um dem Vortrag folgen zu können musste Emma den Blick nach links wenden und kam so in den vollen Genuss, zuzuschauen wie jemand eine halbtote Robbe mit Zwiebelringen verschlingt.
Erst das spätere kollektive Nasensalbentesten brachte, wenigsten geruchlich, Erleichterung. Die kleinen Tuben mit Salbe für angegriffene Schleimhäute, wurden von der Referentin mit dem Hinweis, dass die Muster zwar schon von unseren Vorgängern getestet wurden, aber niemand damit Salbe direkt in die Nase eingeführt habe, weiter gereicht.
Emma konnte kaum erwarten bis das erste Tübchen bei ihr angelangt war und nahm - reichlich.

Dienstag, 21. März 2006

Zwiebeln zum Frühstück

Die ersten Tage im Frühling bringen die Menschen immer etwas durcheinander. Emma bekommt das natürlich mit geballter Ladung zu spüren. Da taumeln Kunden in den Laden wie von einer fremden Macht ferngesteuert. Sie haben dann diesen Gesichtsausdruck, der einem großen Fragezeichen gleicht.
Gerade noch auf der Straße entlang geschlendert, findet sich eine Frau plötzlich in einem Laden wieder.
Vorwurfsvoll schaut sie Emma an, weil diese sich doch tatsächlich erdreistet, sie zu begrüßen.
Emma lässt die Kundin mit ihrem ersten Schock erst einmal allein, damit die sich sammeln kann, lässt sie aber mit geübtem Augenwinkelblick nicht völlig unbeobachtet. Die Dame schleicht unsicher ums Gemüse herum. Nimmt eine der schönsten Strauchtomaten, drückt sie bis die Schale den Kampf verliert. Emma dreht sich zur Seite damit niemand sieht wie sie das Gesicht vor Schmerz verzieht.
Etwas angewidert blickt die Kundin auf ihre Hand und tätschelt sogleich einen Blumenkohl um an seinen Blättern die Spuren ihrer Tat zu beseitigen. Schritt für Schritt arbeitet sich die Tomatenschänderin bis zu den Zwiebeln vor. Nachdenklich wühlt sie darin und scheint nach etwas zu suchen. Emma nähert sich unaufdringlich, um bei der jeden Moment zu erwartenden Frage sofort zur Stelle zu sein. Nur kurz hebt die Kundin den Blick um wieder suchend in die Zwiebeln zu schauen. Mit einem Unterton der Entrüstung holt sie dann Luft um ihre Frage endlich zu artikulieren:“ Sagen Sie, wo haben Sie denn hier das Müsli stehen?“
Innerlich platzt Emma spätestens jetzt der Kragen und ihr liegt es auf der Zunge: “Müsli? Das liegt hier vorne in den Kartoffeln!“
Doch sie schluckt professionell und begleitet die Dame zum Regal mit Frühstückscerialien. Selbstverständlich konnte diese gar nicht wissen, wo die Müslitüten sich heute mal wieder verstecken und die großen Schilder an den Regalen sind ja auch nur zur Auflockerung der Atmosphäre gedacht. Außerdem raschelt das Entblättern einer Zwiebel doch fast genauso wie das Öffnen einer Müslitüte.
Die große Auswahl an Cornflakes und Haferflocken irritieren die Kundin natürlich völlig und so zieht sich Emma wieder höflich zurück.
Etwa 20 Minuten später, als sie einige andere Kunden bedient hatte und mittlerweile an der Kasse saß, kommt auch die Müslifrau am Kassentisch an. Sie stellt eine Dose mit geschälten Tomaten aufs Band und hat das Geld schon abgezählt in der Hand.
„Haben Sie kein passendes Müsli gefunden?“, erkundigt sich Emma freundlich.
Die Kundin schüttelte nur den Kopf. „Wissen Sie, wo hier in der Nähe ein Blumenladen ist?“

Alles klar denkt Emma, kein Wunder es wird Frühling und die Frau wurde eh von einer fremden Macht in den Laden getrieben. Sie wird wohl dringend ein Pfund Gehacktes brauchen. Das bekommt sie gegenüber.
„Gegenüber, da ist ein kleines Blumengeschäft. Danke, einen schönen Tag wünsch ich ihnen.“

Fortsetzung folgt

Rache isst Blutwurst

Tante Emma heißt im wahren Leben weder Emma, noch ist sie die Tante von irgendjemanden. Schon gar nicht von einem ihrer schrägen Kunden, für die sie in den letzten Jahren pünktlich beim Öffnen des Geschäftes das Lächeln aufsetzt, das man von einer Angestellten im Einzelhandel, kurz Verkäuferin, erwarten darf.
Nein, Emma ist von Natur aus keine freundliche Frau. Im Gegenteil, sie tendiert eher zum Misanthrop als zu Mutter Theresa. Eigentlich wäre ihr perfekter Arbeitsplatz im 2. Untergeschoß der Pathologie oder in einer abgelegenen Tischlerwerkstatt eines Industriegebietes. Hauptsache sie müsste ihr eigentliches Naturell nicht bei Dienstbeginn, samt ihrem Mantel in einen Spind hängen, der sich immer in unaufgeräumten kleinen Hinterräumen eines Supermarktes, einer Drogerie oder eines Reformhauses befindet.
Doch was Emma jeden Tag macht, macht sie gut. Sie erntet, was vielen trotz Schleimerei verwehrt bleibt - Freundlichkeit und Respekt von Vorgesetzten, den Kollegen und ihren Kunden. Ja, Emma ist beliebt, auch wenn es manchmal etwas länger dauert.

Für sie als Soziophobikerin ist der Dienst am Kunden aber mehr Therapie als Berufung. Hier muss sie tagtäglich ihr innerstes Gefühl überwinden, sich vor Menschen verstecken zu wollen. Wie eine Schauspielerin zupft sie nervös ihren Kittel zurecht, bevor der Vorhang sich öffnet. Dann tritt sie hinaus auf ihre Bühne und gibt wieder und wieder eine Vorstellung, die niemanden im Publikum daran zweifeln lässt, dies sei die wahre Mutter Courage.

Emma liebt ihren Job nicht, aber sie hat im Laufe der Jahre Methoden entwickelt, den schlecht bezahlten Tagen mit bis zu 12 Arbeitsstunden etwas Positives abzugewinnen. Unaufhörlich stillt sie ihren Wissensdurst und glänzt mit hervorragenden Fachkenntnissen, wobei es keine Rolle spielt, ob sie die genaue Zusammensetzung eines Kartoffelpürees kennt oder es sich um die Wirkungsweise eines blutdrucksenkenden Nahrungsergänzungsmittels handelt. Ein vom Betrieb organisiertes Produktseminar ist für sie so erfreulich, wie für ihre Kollegen das gelungene Manöver, alle Brückentage für sich zu belegen.
Doch was Emma an ihrer Arbeit am meisten schätzt, ist die Möglichkeit, zu studieren. Die Mysterien der einkaufenden Menschheit aufzudecken. Zu beobachten, welche Taktiken Kunden entwickeln, um an die größten Kartoffeln zu kommen, wie sie sich gekonnt eine Einkaufstasche für lau ergaunern oder geschickt Waren umtauschen, die sie nicht bei Emma gekauft haben.

Servicewüste Deutschland - das sind wohl die beiden Reizworte bei denen Emma am liebsten mit doppeltem Flickflack über das Kassenband fegen möchte, gekonnt wie Zorro auf dem abschließenden Packtisch zum Stehen kommt und lauthals verkündet, dass nun Schluss ist mit Runterschlucken,
jetzt packt sie aus,
jetzt rechnet Emma ab.


Fortsetzung folgt

Kunden-Identifikation:

Du bist nicht angemeldet.

Heute im Angebot:

Juli 2013
Hallo, Tante Emma, die Hoffnung stirbt zuletzt. Nach...
Miko (Gast) - 19. Jul, 09:02
2013
Hallo Tante Emma, wir denken immer noch gerne an Sie....
Kermit (Gast) - 10. Jun, 21:08
Drüben
Meine dunkle Seite Ich war schon oft dort Weiß Welchen...
Jemand (Gast) - 22. Apr, 23:49
und wieder mal
habe ich mir die Geschichten durchgelesen, nur um festzustellen,...
tweety-one (Gast) - 19. Feb, 23:53
Büttebütte
Das letzte Mal haben wir von Tante Emma am 28.12.2008...
Miko (Gast) - 4. Mai, 09:24

Was darf's denn sein?

Geschäft eröffnet seit:

6620 Tagen
Letzte Abrechnung: 8. Jan, 14:33

erdbeere

Credits


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